aleanjreModeratorin im Ruhestand
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Hier der Hergang des Gespräches mit der Lehrerin. (Die "Ich - Sprecherin ist meine Freundin):
Die Lehrerin hatte am Dienstag die Zeugnisse eingefordert, um zu sehen, ob sie alle unterschrieben sind. XXX war das nicht-unterschriebene Zeugnis mitgegeben worden, mit einen Zettel dran geklebt: „Unterschrift erst nach Rücksprache“.
Es war genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Blankes Erstaunen ob meiner Kritik. Das hätte ihr ja noch keiner gesagt, dass sie zu strenge Zeugnisse schreibe (das allerdings in sehr freundlichen Ton), und sie wüsste auch gar nicht, wie sie es sonst hätte formulieren sollen usw.
Nun gut, all meine Argumente (und ich hatte mir in meinem Kopfkino ja jede Menge Argumente gebastelt), fanden Gehör und wurden dilettantisch abgeschmettert. Sie müsse doch schreiben, wie es ist, und Tatsache wäre nun einmal, dass XXX Fehler beim Schreiben mache und eher stockend als flüssig lese.
Die Diskussion tobte hin und her. Ich erklärte, dass die Problematik in den Elterngesprächen uns nicht so rübergebracht wurde, dass ich daher keine Chance hatte, das Unheil abzuwehren, und dass wir letztendlich nie mit einem solchen Zeugnis hätten rechnen können.
Der nächste Brüller: „Das ist doch kein schlechtes Zeugnis.“
Kurzes beherrschtes Grinsen von mir. „Doch!“
Ich erzählte ihr von meinem Neffen XYZ, der keinen Satz rausbrächte, den Stift falsch herum hält und nicht weiß, wie viele Finger er an einer Hand hat. Und von seinem Zeugnis, das diese Probleme nicht unbedingt verschleiere, sie aber doch sehr nett und wohlwollend herüberbrächte. Z. B. in Form des Konjunktiv: „ lXYZ lässt sich auf alle schriftlichen Übungen mit Begeisterung ein, müsste aber noch ein wenig die korrekte Schreibweise üben.“
So schreibt man nette Zeugnisse.
Nein, meinte sie, das dürfe sie nicht. An ihrer Schule sei der Konjunktiv verboten.
„blubb“
Sag was du willst, aber für mich klang das nach: Ich werde dieser Mami mal einen vom Pferd erzählen.
Das einzige, was sie wirklich anrührte, war die Beschreibung, wie XXX nach Hause kam mit vor Aufregung glühenden Wangen, vor Freude hüpfend, und wie das Kind dann schließlich in Tränen ausbrach. Da hat sie doch sichtbar ein wenig geschluckt.
Ich habe dann gleich in die Kerbe geschlagen und gesagt, dass ein Kind, das mit solcher Begeisterung und Freude lernt, eine solche Klatsche nicht verdient hat.
Sie moserte dann etwas, das wäre ja kein Zeugnis, das für Kinder geschrieben ist, sondern sie hätte es als Hilfestellung für die Eltern gemeint, damit diese genau wüssten, wo ihr Kind steht.
Ich fing wieder an (das Gespräch dauerte übrigens eine satte Stunde), dass dazu ja die Elterngespräche da wären, und dass das Erstklässlerzeugnis doch auch eine Geste sei für die Kinder, die im ersten Jahr doch fast alle noch ganz fleißig sind.
Ich fuhr fort, dass wie Eltern eben hätten informiert werden müssen, wenn ein sooooo schlechtes Zeugnis zu erwarten sei. Es hätte vorher mal anklingen müssen, dass XXX keine besonders gute Schülerin ist und eventuell sogar, dass sie die Klasse wiederholen sollte. So aber ...
Um Gottes Willen, unterbrach mich die ältliche Dame, ich solle doch mal auf die Bremse treten. XXX sei doch keine schlechte Schülerin. Im Gegenteil. Sie läge von den Leistungen her im oberen Drittel (allerdings am Ende des oberen Drittels, aber wir sind ja bescheiden. „g“), sie sei eben nur sehr hibbelig, sehr schlusig und sie höre bei den Aufgabenstellungen nie bis zum Ende zu. Das sei eben ihr großes Handicap. Intellektuell hätte sie alles ganz leicht drauf, ihre soziale Entwicklung sei aber eher altersgerecht und hinke daher den anderen etwas hinterher. Ihre Konzentrations- und Merkfähigkeit ist noch nicht ausgereift.
Na ja, das klang ja schon etwas besser. Allerdings half mir das nicht in Sachen Zeugnis.
Ich dramatisierte dann noch etwas, dass ich dann im Notfall das Kind aus der Nachmittagsbetreuung nehmen würde, um mehr mit ihr üben zu können. Davon war sie wenig begeistert. Sie meinte, sie hätte mir ja auch nicht jede Kleinigkeit erzählt bei den Gesprächen, weil sie mich als eine Mutter einschätze, die ohnehin schon sehr viel mit ihrem Kind übe und dass es daher eher zur Überforderung kommen würde, hätte ich noch mehr gemacht.
Puh, zu diesem Zeitpunkt war dann tatsächlich alles schon mehrfach gesagt worden. Die Barrikaden vor den einzelnen Standpunkten waren mannshoch, die Stimmung war noch immer freundlich, aber wenig hilfreich.
Was ich denn von ihr erwarte, fragte sie. Ob sie das Zeugnis etwa umschreiben solle? (Und das jetzt in einem Ton, als hätte ich sie gebeten, mit den Kindern für den Englisch-Unterricht nach London zu fahren)
Ja, sagte ich, genau das war meine Vorstellung gewesen.
Wieder minutenlanges Hin und Her. Dann seufzte sie, sie würde mit ihrem Direktor Rücksprache halten, ob so was überhaupt zulässig sei (wieder so eine Schote. Natürlich ist es zulässig) und was er denn davon hielte.
Gut, viel mehr konnte ich nicht erreichen. Jetzt muss ich abwarten.
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