Spiegel-Artikel: Schadet der neue sexuelle Trend der Gesellschaft?

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Lykurg
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Do 3. Nov 2005, 09:52 - Beitrag #41

Zitat von aleanjre:Und wer, wenn nicht die Politiker, Techniker, Forscher und Fabrikanten dieser Welt sorgen dafür, dass es immer weniger Lebensgrundlage für die Armen, und Überfluss für die wenigen Reichen gibt?
Du bist hier Opfer eines ebenso gängigen wie überholten Mißverständnisses, das allerdings den Rahmen des Threads sprengt. Die Lebensgrundlage der "Armen" wird von der der "Reichen" nur bedingt tangiert, nämlich insofern, als der Handel ihnen, ja, auch ihnen, Möglichkeiten zum Aufstieg bietet. Es gibt eben nicht nur ein bestimmtes Maß an Reichtum, das mal dem einen und mal dem andern gehört und nur gleichmäßig verteilt sein muß, damit alle glücklich sind. Das war nur die ungefähre Sicht einiger Wirrköpfe des vorvorigen Jahrhunderts. ;)

Tatsächlich gibt es - und trotz aller Nachrichten über Epidemien und Hungersnöte - über die letzten Jahrhunderte eine massive weltweite Verbesserung der Lebensbedingungen, auch und gerade in den "armen" Entwicklungsländern. Die Menschheit kann sich also gemeinsam entwickeln, es geht nicht um gegenseitigen Diebstahl, sondern um Zusammenarbeit. Und sie muß sich gemeinsam entwickeln, damit die Fortschritte auch eine Chance auf Bestand haben und nicht durch in Kriege mündende Neidgefühle gefährdet sind.

aleanjre
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Do 3. Nov 2005, 11:23 - Beitrag #42

Meine Ansicht dazu ist gegenläufig, auf der Basis von Wissen, das ich für zuverlässig halte, und insgesamt nicht sonderlich wirr. ;) Aber ich habe weder die Lust, das zu diskutieren, noch ist hier dafür der richtige Ort. Deshalb würde ich die Meta-Diskussion gerne hier beenden. :)

Maurice
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Fr 4. Nov 2005, 15:43 - Beitrag #43

@Lykurg:

Warum interessiert uns das Wohl der Menschen, die in Afrika hungern, oder daß 'hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen"? (...) Weil wir emotional darauf programmiert sind, mitzufühlen, Mitleid zu empfinden, eine Hilfsbereitschaft zu entfalten, weil unsere kulturelle Tradition uns dahingehend geprägt und entwickelt hat.

Ich habe da eine andere Erklärung: Strukturelle Nutzenmaximierung.
Politische Unruhen, Kriege, Hungernöte usw. stellen in einer globalisierten Welt nicht nur eine Gefahr für die unmittelbar betroffenen Staaten dar, sondern können auch Nachteile für andere Staaten zur Folge haben. Die Versuche solche Konflikte zu lösen halte ich in den allermeisten Fällen nicht für ein Indiz für Nächstenliebe, sondern für aufgeklärtes Selbstinteresse.
Als Beleg für meine These führe ich die Tatsache an, dass viele Probleme in anderen Ländern in Deutschland (und anderen Industrienationen) nicht beachtet werden, weil sie nicht von politischer und wirtschaftlicher Relevanz sind.

Lykurg
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Sa 5. Nov 2005, 00:47 - Beitrag #44

Zitat von Maurice:Die Versuche solche Konflikte zu lösen halte ich in den allermeisten Fällen nicht für ein Indiz für Nächstenliebe, sondern für aufgeklärtes Selbstinteresse.
Als Beleg für meine These führe ich die Tatsache an, dass viele Probleme in anderen Ländern in Deutschland (und anderen Industrienationen) nicht beachtet werden, weil sie nicht von politischer und wirtschaftlicher Relevanz sind.
Probleme, die für uns ohne politische und wirtschaftliche Relevanz sind, werden zwangsläufig in unseren Medien in geringerer Breite und Tiefe vermittelt. Das liegt schon daran, daß in den betroffenen Ländern meist keine ständigen Korrespondenten ansässig sind. Daher kann das Gefühl des Helfenmüssens sich nicht im selben Ausmaß entfalten. ME zeigt dein Beleg vor allem unsere Abhängigkeit von diesen erweiterten Wahrnehmungsorganen.

Darüber hinaus führen die Auslandskontakte vieler Mitglieder unserer Gesellschaft (bedingt etwa durch Wirtschaftsbeziehungen, Reisen und Verwandschaft) dazu, daß eine erhöhte Hilfsbereitschaft gegenüber eben diesen Partnern besteht. Daß wir stärkeres Mitleid empfinden, je besser wir eine Person (ein Volk?) kennen, dürfte allgemein gelten.

(Jetzt wird die Sache aber allmählich abtrennwürdig... nur: wo? ab e-noons Posting vom 01.11.?)

Maurice
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Sa 5. Nov 2005, 13:36 - Beitrag #45

Kann sein, dass wir jetzt etwas aneinander vorbeigeredet haben. Meine Aussage bezog sich primär auf Politiker und Geschäftsleute. Ich meinte, dass diese Personen meiner Einschätzung nach meistens nicht aus Nächstenliebe, sondern in Hinblick auf strukturelle materielle Nutzenmaximierung heraus handeln (wobei hier wirtschaftlicher und politischer Nutzen gemeint ist).

Das einfache Volk hilft hingegen meistens aus Mitleid, das aber in der Regel maximal nur solange anhält, wie es das Leid intensiv vor Augen gehalten bekommt. Sobald dann das öffentliche Interesse nachlässt, lässt auch das private Interesse nach. Ich schätze die wenigsten werden sich von sich aus über längeren Zeitraum für Hilfsprojekte einsetzen.

Lykurg
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Sa 5. Nov 2005, 15:30 - Beitrag #46

Darin, daß Politiker und Geschäftsleute als solche, also 'im Dienst', "nutzenmaximiert" denken und handeln, kann ich dir nur zustimmen - das ist ja auch ihre Aufgabe. Daß die Bereitschaft zu Spenden bei Katastrophen auch diejenigen erreicht, die sonst nichts geben (können), ist auch sicher richtig. Daraus folgt zwangsläufig auch ein Wiederabflauen der Spendenwelle nach einiger Zeit. Es handelt sich hierbei ja auch um punktuelle Aktionen, der Spender erwartet, daß seine Gabe dazu beiträgt, ein konkretes Problem zu lösen, und sieht insofern auch keinen Bedarf zu weiterem Handeln in dieser speziellen Sache. Allerdings gibt es ja schon eine Reihe von langfristigen Projekten und Organisationen (stellvertretend genannt: Welthungerhilfe und Krebshilfe), die (auch z.B. durch ehrenamtliches Engagement) langjährig durch viele Einzelpersonen getragen und gefördert werden.

Mit der Thematik befaßt sich ein Artikel von der Bundeszentrale für politische Bildung, der naturgemäß das politische Engagement in den Vordergrund rückt. (Zwischendurch werden auch die NROs und ihre Kooperation mit staatlichen Hilfsaktionen behandelt.) Aber erst in den letzten Absätzen heißt es dort:
Gegenüber anderen Politikfeldern hat Entwicklungspolitik einen sehr geringen Stellenwert. Entsprechend ist das Interesse am Thema begrenzt, große Mehrheiten fühlen sich unzureichend informiert, und tatsächlich ist ihr Informationsstand über Entwicklungspolitik überwiegend dürftig.
Dass jedoch die Not der Bevölkerung in der Dritten Welt zu enormer Spendenbereitschaft führen kann, zeigt das große Spendenaufkommen nach der Tsunami-Katastrophe im Januar 2005.
Zugleich wird daran aber auch die Problematik deutlich, dass Naturkatastrophen mit starkem Medienecho und unmittelbarem Bezug zu Deutschland (Touristen als Opfer) zeitweilig auf extreme Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft stoßen, während längerfristige Katastrophen mit weitaus höheren Opferzahlen (zum Beispiel Kongo, Sudan) im Hintergrund bleiben. Auch die Chance, die Tsunami-Katastrophe als Einstieg in eine breite und besser ausbalancierte entwicklungspolitische Information und Debatte zu nutzen, ist von den Medien und der Politik - insbesondere mit Ausnahme von Bundespräsident Horst Köhler - kaum wahrgenommen worden.
Hierin dürften wir unsere Positionen beide wiederfinden.

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