Franz(iskus) I.

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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Fr 19. Jul 2013, 10:25 - Beitrag #61

Ein Papst muss kein Heiliger sein.
In der Tat. Dann darf er aber weder als "moralische Instanz" von Amtes wegen noch in persona aufgebaut und dargestellt werden.

Wenn Bergoglio es schafft, dass Frauen Priesterinnen, Bischöfinnen und Kardinälinnen werden dürfen, wenn er die Mafia aus dem Vatikan raus bekommt, wenn er das Unfehlbarkeitsdogma abschafft, wenn er das Vermögen des Vatikans dazu verwendet, den Flüchtlingen auf Lampedusa und sonstwo effektiv zu helfen, statt sich nur malerisch zu ihnen zu gesellen, wenn es ihm gelingt, die gesamte Kurie auf demokratische Beine zu stellen, wenn er der Homosexualität als Normvariante menschlicher Sexualität die katholische Unterstützung und Anerkennung verschafft, wenn er der Scheidung, Geschiedenen und Wiederverheirateten ihren gleichrangigen Platz im Leben und in der Kirche gewährt, wenn er alle Katholiken, die Unrechtsregime stützen, exkommuniziert, wenn er Empfängnisverhütung nach Wahl aller Einzelpersonen zulässt - um nur die wichtigsten Baustellen zu nennen - dann bin ich gerne bereit, die Aufklärung seiner argentinischen Vergangenheit hinten an zu stellen und ihn trotzdem zu loben. Wenn es ihm nicht gelingt, ist er nichts als eine religiöse Variante von Barack Obama, und das hieße: Schande über ihn.

janw
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Fr 19. Jul 2013, 13:01 - Beitrag #62

Ipsi, d'accord.
Aber advocatum diaboli: Sollte nicht die böse Priester-Rolle beim dunklen Geschlecht verbleiben?^^

Ipsissimus
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Fr 19. Jul 2013, 13:06 - Beitrag #63

Das Priestertum ist nicht zwangsläufig verwerflich. Es wird nur zu einem Albtraum, wenn es dazu verwendet wird, das Patriarchat zu stützen und Menschen klein zu halten.

Lykurg
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Fr 19. Jul 2013, 13:12 - Beitrag #64

Selbst um später ein Heiliger zu werden, muß sein Leben nicht einwandfrei verlaufen sein - meinst du, daß jeder der 800 Märtyrer vonOtranto, die jetzt gerade kanonisiert wurden, sein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen mußte?

Das Programm, das du da verlangst, ist viel zu anspruchsvoll - wenn das überhaupt je vollständig umgesetzt werden sollte, was ich sehr bezweifle, handelt es sich um Stoff für mindestens ein halbes Jahrhundert, eher mehr. Außerdem denke ich nicht, daß ein Papst allein die Frauenordination durchsetzen könnte, dafür bräuchte es ein Konzil - und das ist mit Vorbereitung und Beratungen allein schon eine Sache von mehreren Jahren.
Und die Verwendung des Kirchenvermögens, hatten wir das nicht schon anderswo diskutiert? Ein Großteil davon ist weitgehend unverkäuflich (ok, man könnte die Kunstschätze natürlich verbrennen ;) ), bzw. erzielt durch Eintrittsgelder auf lange Sicht deutlich mehr Gewinn als auf dem Kunstmarkt einmalig zu erwarten wäre.

Ipsissimus
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Fr 19. Jul 2013, 13:44 - Beitrag #65

Na ja, lange zurückliegende Märtyrien bieten den großen Vorteil, dass nur noch Dinge behauptet werden müssen, den Rest erledigt die Nützlichkeit

Natürlich ist das Programm fordernd, es entspricht den Vorschusslorbeeren bzw. der aktuellen Verdienstzuweisung trotz unzureichender Faktenlage

Und wofür werden die Eintrittsgelder verwendet? Zum Selbsterhalt.

janw
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Fr 19. Jul 2013, 22:02 - Beitrag #66

Der Zölibat fehlt noch in der Liste.

Ein Problem dürfte sein, daß die Basis mit einem solchen Reformschwung mitgehen müsste, und nicht unbedingt würde.
Insbesondere in Lateinamerika ist Homosexualität noch immer ein Tabu, von daher könnten hier Splittergruppen wie Pfingstler und Piusbrüder Zulauf gewinnen, die Kirche also eher verlieren.

Die Behebung der inneren Probleme wäre sicher vorrangig, auch die Einbindung der Befreiungstehologie. Die Zulassung von Empfängnisverhütung wäre auf jeden Fall wichtig.

Was das kirchliche Vermögen betrifft, ist der hohe Anteil an Kulturschätzen ein Problem - an wen sollen diese gehen, wie ihre Unterhaltung gesichert werden?
Ich denke, es muss eher darum gehen, wofür die Erträge verwendet und wie die Kirche sich der Welt zuwendet, daß sie die Finger in die Wunden legt, die da wirklich sind.
Das heißt vor allem, den Machtmißbrauchenden ihren Platz in der Kirche zu nehmen.

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Do 25. Jul 2013, 23:49 - Beitrag #67

janw, ich stimme dir zu - aber von allen Anstößen, die von diesem Papst zu erwarten sind, ist ein angemessenerer Umgang mit Homosexualität wohl am wenigsten zu erwarten - in der Hinsicht ist er streng konservativ. Und auch der Zölibat wird wohl noch ein Weilchen bestehen, ich denke nicht, daß die Existenznot schon groß genug wäre, daß die Kirchenleitung dazu bereit wäre. Die Basis ist in vieler Hinsicht weitaus reformbereiter als der Klerus, allerdings natürlich regional sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Noch mal wieder ausschließlich PR, sicher nichts davon sein eigenes Anliegen. - Vielleicht wäre der Fall Romero, wenn er dessen Seligsprechung vorantreibt und vielleicht noch durchführt, eine Gelegenheit, sich auch zu Argentinien zu äußern.

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Mo 29. Jul 2013, 17:42 - Beitrag #68

Und doch ist das hier ein Schritt, den ich nicht erwartet hätte - Franziskus hat sich in einer Pressekonferenz zugunsten homosexueller Priester geäußert, ihm stehe kein Urteil über sie zu: "We shouldn't marginalize people for this. They must be integrated into society."

Ipsissimus
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Mo 29. Jul 2013, 18:13 - Beitrag #69

ich beginne, beeindruckt zu sein^^

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Mo 29. Jul 2013, 19:03 - Beitrag #70

Ich merke selbst gerade erst, daß ich das vor grade mal vier Tagen noch ausgeschlossen hatte :D

["das": ein solches Statement, nicht die Tatsache, daß du beeindruckt sein könntest^^]

Ipsissimus
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Mo 29. Jul 2013, 20:45 - Beitrag #71

http://www.spiegel.de/panorama/papst-franziskus-geht-nach-weltjugendtag-auf-schwule-priester-zu-a-913707.html

ich gebe zu, er geht weit, für einen Papst. Nicht weit genug, um schon Hochachtung einzuheimsen, aber er geht weit.

Traitor
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Di 30. Jul 2013, 21:55 - Beitrag #72

Die spannende Frage wird sein, wie nahe seine offiziellen Lehräußerungen und Handlungsanweisungen an die untergeordneten Geistlichen an diese Aussagen herankommen, die er bisher nur in informellem Kontext geäußert hat.

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Di 26. Nov 2013, 15:10 - Beitrag #73

Zu seiner Einstellung zu Befreiungstheologie und Kirchenreform gibt es was neues von ihm zu lesen:

http://www.spiegel.de/panorama/gesellsc ... 35721.html

PS: Ich glaube, er mag einfach kein Rot.
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Traitor
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Mi 4. Dez 2013, 22:30 - Beitrag #74

Schonmal ein großer Schritt von den vorherigen informellen Äußerungen hin zu tatsächlich kodifizierten Veränderungen. Gerade die wirtschaftspolitischen Äußerungen wirken aber noch wie reine Werbeaussagen, solange die Kirche selbst eindeutig ein Teil des gutsituierten Establishments bleibt. Die angedachten institutionellen Änderungen werden wohl ohne ideologische Öffnung kaum ausreichen, um verlorene Mitglieder zurückzuholen, könnten aber durchaus hinreichend sein, um weitere Ausblutung zu stoppen. Fragt sich halt weiterhin, ob das eigentlich wünschenswert ist...

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