Ich habe auch den Eindruck, daß aus einer relativen Mücke ein kleiner Elefant gemacht wird in diesen Tagen.
Die Vogelgrippe aka Geflügelpest hat es immer gegeben, in verschiedenen unterschiedlich aggressiven Virusstämmen. Sie hat in der Nutztierhaltung immer schon Schäden angerichtet und wurde deshalb als Tierseuche entsprechend bekämpft. Mindestens einmal ist sie eine Verbindung mit einem menschlichen Grippevirus eingegangen und hat damals eine idT schlimme Epidemie ausgelöst.
Der jetzt aktuelle Stamm scheint ja recht aggressiv zu sein, was seine Infektiosität und den Krankheitsverlauf betrifft, die Möglichkeit, daß er mit einem menschlichen Grippevirus zusammen geht, gibt es sicher, aber andererseits, was sind 61 Tote, wenn man sie in Bezug setzt zu Hunderten Millionen Menschen, die in einem derart engen Verhältnis zu Geflügel leben?
Und eben dieses Verhältnis gilt es im Auge zu behalten.
Die toten Vögel auf Rügen und anderswo im Küstenraum sind nichts Ungewöhnliches in dieser Jahreszeit - es liegt eine harte Frostperiode zurück, die Tiere haben Nahrungsmangel gehabt, und das überleben regelmäßig nur die starken Tiere. Früher haben die Rüganer die toten Vögel gerupft und sich mit den Federn ein Zubrot verdient. Daß schwache Tiere mit Viren aller Art befallen sind, überrascht auch keineswegs.
Wobei außerdem die Wildvögel relativ scheu sind und kaum je mit Hausgeflügel zusammen kommen, zumindest Schwäne nicht.
Insofern, was soll passieren? Es könnte durch Zufälle zur Infektion von Hausgeflügel kommen, die sicher wirtschaftliche Schäden auslösen würden dann, vielleicht auch größere.
Die Wahrscheinlichkeit einer Verbindung mit einem menschlichen Influenza-Virus ist sehr gering, da werden jeden Tag ganz andere Risiken billigend in Kauf genommen.
Allerdings gilt das für uns, für Mitteleuropa. In Regionen, in denen Menschen sehr viel enger mit Vögeln zusammen leben, auch existentiell von diesen abhängen, hätte eine Vogelpest/grippeepidemie unter den Nutzvögeln auch dramatische wirtschaftliche Folgen. Insofern kann ich die Maßnahmen in China usw. durchaus nachvollziehen.
Hier dagegen haben wir eine Politik, die einerseits von interessierten oder auch zum Teil aus positiven Motiven (über)besorgten Wissenschaftlern über das potentielle Risiko eines Lottogewinns, pardon einer Verbindung zweier Viren informiert wird, andererseits mit Erwartungen durch eine alarmierte Presse konfrontiert ist, die Handlungen sehen will. Eine der Kehrseiten der Mediendemokratie...
Ich denke, daß einiges der Aktionen letztlich darin begründet ist - zeigen, daß Politik "alles erdenkliche Mögliche tut", auch wenn bei wirklich nüchterner Betrachtung jedem klar sein müßte, daß die Gefahr in der Dimension nicht besteht bzw. daß andersrum letztlich auch mit einer Stallpflicht für Geflügel eine Infektion nicht ausgeschlossen werden kann - wenn sie z.B. auf dem Luftwege über Tröpfcheninfektion erfolgen würde, an Kleidung anhaftet oder erdenkliches anderes.
Nutznießer sind die Pharma-Industrie (Tamiflu war bisher eher ein Ladenhüter), Forschungseinrichtungen, wer weiß, wer noch...
Vielleicht auch einige alte Bauernverbandsfunktionäre, die sich freuen, daß die ökologische Tierhaltung mal einen auf den Deckel bekommen hat - wobei da allerdings schon ein Wandel in den Köpfen eingesetzt hat.
Zu den links:
Lanka ist bekannt geworden damit, daß er dieselben prinzipiellen Vorbehalte schon gegen die Theorie vom AIDS-Virus geltend gemacht hat. In dem Falle durchaus übereinstimmend mit anderen Autoren und in der Sache nachvollziehbar. Ob die Grundfrage dabei - gibt es einen eindeutigen Nachweis eines die Krankheitsbilder systematisch auslösenden Virus? - tatsächlich so beantwortet werden muss, wie Lanka es sieht - "nein, es gibt keinen Nachweis eines Virus" - weiß ich nicht, wüßte ich aber gern.
Dahlke scheint wohl aktualisiert zu sein, ich gebe ihm im Grunde recht, was die Übertriebenheit der Maßnahmen betrifft, allerdings sieht er für mich zu viel von einer Verschwörung der Pharmariesen, Geflügelmultis usw., und seine Theorie der Immunabschwächung durch Stress und Angst stimmt zwar im Einzelfall sicher, kann aber nicht so kollektiv auf ganze Bevölkerungen ausgedehnt werden. Etwas esoterisch, wie ich finde.
Zitat von Maglor:Was Herr Seehofer und Co erreicht haben, ist die Dämonisierung des Vogelzuges und die Diskriminierung der Freilandhaltung!
Maglor, Du erstaunst mich! Ich habe dich sonst immer eher als ein Belächeler der Freilandhaltung von Geflügel wahrgenommen. Oder täuscht das?