Naturalismus und Gehirn/Bewusstseins-Problem

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Traitor
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Fr 27. Feb 2009, 19:00 - Beitrag #21

@Padreic:
Ich gebe dir sowohl recht als auch nicht recht. Die Physik ist sicherlich im Vorteil, da sie gar nicht über reales redet, sondern nur gute Modelle bauen will. Oder was ist die präzise physikalische Beschreibung von Materie, die die Physik liefert? Die Beschreibung ist intrinsisch präzise als mathematisches Modell, aber darüber hinaus?
Diese beliebte Aussage setzt voraus, dass es etwas Anderes gibt, das realer ist als die physikalischen Modelle. Einerseits könnten Konstruktivisten (denen ich bekanntlich fern stehe) einwänden, das Reale gäbe es erst, wenn wir es messen und modellieren. Andererseits kann man, wenn man etwas an sich Real seiendes annimmt, immer noch annehmen, dass die Modelle der Physik eine hinreichend gute Näherung daran sind, dass sie für alle Zwecke als damit identisch aufgefasst werden können. Eine Restunsicherheit besteht immer, dass sie letztlich doch nur eingeschränkt korrekt sind und wesentliche Teilaspekte auslassen, aber die bisherigen Erfolge und das völlige Fehlen konkurrenzfähiger Ansätze machen für mich die Annahme weit ökonomischer, dass sie die Realität hinreichend abbilden.
Es ist hier schon ein wenig schwieriger als in der Physik, weil wir sehr aufpassen müssen, da wir selbst beim Sprechen über Sprache z. B. schon immer selbst schon sprechen.
Ja, das ist natürlich auch ein Problem. Mir ist auch klar, dass gute philosophische Definitionen kaum je so knapp sein können wie solche in der Mathematik oder Physik. Auch mag sie nie logisch eindeutig werden können. Die reine Definition eines problematischen philosophischen Begriffes mag durchaus ein ganzes Buch füllen. Und sie darf dabei durchaus Beispiele und erklärende Ausführungen beinhalten, die nicht nur Beiwerk sind, sondern als Ersatz für eine rein logische Definition den Begriff abzugrenzen. Denn meine Anforderung an die Definition ist nur, dass in jedem real auftretenden Kontext klar ist, was exakt der Philosoph mit seinem Begriff meint. Das sollte meines Erachtens stets möglich sein.
Begriffe wie 'Erleben' oder insbesondere 'Beobachtersein' können wir noch viel weniger rein objektiv betrachten; wir erfahren sie nicht als Beobachter (im Gegensatz zu allen physikalischen Gegebenheiten), sondern im (reflektierten) tätigen Erleben.
Die Nichtexistenz echter Objektivität vorausgesetzt, besteht für mich kein fundamentaler Unterschied zwischen externer und interner Wahrnehmung. So würde ich als die wesentliche Eigenschaft des Bewusstseins seine Funktion als ein Selbstbeobachtungssinn des Gehirns bezeichnen, darauf wollte ich auch mit meinem Taskmanager-Vergleich hinaus. Wir nehmen über elektrische Impulse war, wie unsere Umgebung aussieht, und analysieren dies anhand einer Kombination von Erinnerungen und Verstand; oder wir nehmen über elektrische Impulse war, was gerade in unserem Gehirn vorgeht, und analysieren dies auf analoge Weise. Das ist nur eine Metaebene, kein völlig anderer Prozess.
So oder so ist es letztlich so, dass man auf nicht weiter definierbare Begriffe zurückgreifen muss, um nicht in einen Zirkel zu geraten. Wenn man das nicht tut, haben die Definitionen keinen Grund und keinen Wert. Man kann diese Begriffe nur weiter ergründen, nicht definieren.
Das ist im Prinzip das, was ich oben mit den eingeschränkten Anforderungen an philosophische Definitionen meine. Allerdings führt es meines Erachtens nicht dazu, dass die Definition mancher Begriffe unterbleiben muss. Vielmehr ist es in diesem weicheren, aber immer noch hinreichenden Sinne durchaus möglich, Begriffe im Kreis miteinander zu definieren, denn mit genügender Komplexität der Erklärungen wird es möglich, per Kontext beide Bedeutungen zu schaffen.
Vielleicht meinen wir hier ja auch dasselbe und mein voriger Beitrag implizierte nur eine zu strenge, naturwissenschaftliche Interpretation. Ich fordere nicht, dass die Philosophie zur Naturwissenschaft wird, damit würde sie scheitern, denn deren Instrumentarium ist ihren Fragestellungen nicht angemessen. Es reicht mir, wenn sie sie ernst nimmt und sich mit ihren eigenen Methoden mehr Mühe gibt als bisher.
Oder würde dir das Kriterium: "Jeder, der beobachtet, ist ein Beobachter." weiterhelfen? ;). Ein ungefähre Beschreibung mit anderen Worten für 'beobachten' ist vermutlich: 'Daten in sein Bewusstsein aufnehmen'.
Das Kriterium hilft mir gar nicht, die ungefähre Beschreibung dagegen durchaus. ;) Hier erschiene es mir aber sehr viel effizienter, den von dir beschriebenen Sachverhalt als "bewusstes beobachten" zu bezeichnen und "beobachten" fundamentaler zu verwenden. Quanteninteraktionen müssen nicht unbedingt drin enthalten sein, einer Kamera mit angeschlossener Bildanalysesoftware das Beobachten abzusprechen, halte ich aber für eine zu große Abweichung zum Alltagsgehalt des Wortes, und da sich zwischen Kamera und Quantenprozessen wiederum philosophisch kaum eine Grenze ziehen lässt, erscheint mir die inklusionistische Verwendung insgesamt schlüssiger.
Zum metaphorischen Ursprung des Begriffes gebe ich dir durchaus Recht, aber seine Verallgemeinerung sehe ich eben nicht als Loslösung vom entscheidenden Aspekt des Beobachtens, sondern gerade als dessen Offenlegung.
Dass ein Begriff immer etwas "erklären" muss, ist vielleicht ein physikalisches Vorurteil. Oder was erklärt der Begriff 'Wasser'? Ich finde es schon nicht schlecht, wenn ein Begriff etwas benennt, was es gibt.
Natürlich erklärt nicht der Begriff etwas, sondern die ihm kanonisch zugeordnete Theorie, das war schlampig ausgedrückt. Sagt ein Naturwissenschaftler "Wasser", so meint er ein aus einer komplexen Kombination aus Chemie und Thermodynamik bestehendes Modell, mit dem er sehr gut das Verhalten eines gewissen subjektübergreifend wahrgenommenen Phänomens beschreiben kann. Sagt er "Beobachter", meint er das Arsenal von Relativitätstheorie und Quantenphysik, mit dem er bis auf wenige Randbereiche das gesamte Spektrum aller Wahrnehmungen beschreiben kann. Sagt ein Philosoph "Beobachter", ist es eine spannende Frage, was er denn nun meint und ob er damit irgendetwas erklären kann.

(Anmerkung: Permutation der nächsten zwei Zitate, da sorum logischer beantwortbar.)
Wie ich schon einmal erwähnt habe, dürften selbst aus physikalistischer Sicht, 'Bewusstsein' und 'Gehirn' keine Synonyme sein. Über das Gehirn kann die Physik ohne Schwierigkeiten sprechen. Die Physik kann gut über empirische Phänomene sprechen, aber ist 'Bewusstsein' konstituiert aus empirischen Phänomenen? Den Inhalt unserer inneren Wahrnehmung mag man im weiteren Sinne noch als empirische Phänomene bezeichnen (auch wenn ich hier eher die Psychologie als die Physik am Werke sehe, aber sie gehen ohne Zweifel ähnlich vor; auch ist das etwas, wo ich denke, dass die rein physikalische Untersuchung des Gehirns zu sehr ähnlichen Ergebnissen wie denen der Psychologie führen kann). Aber das Wahrnehmen und das "Bewussten" selbst, das ist kein Phänomen. So sehe ich nicht, wie die Physik darüber überhaupt sprechen kann. Das macht es einer Erklärung etwas schwer zugänglich.
Wie bereits oben geschrieben, sehe ich das Bewusstsein primär als eine Selbstwahrnehmungsebene, kann ich deiner Abgrenzung zu "innerer Wahrnehmung" so nicht zustimmen, bzw. sehe keine schlagenden Argumente, was am Bewusstsein außerhalb des Phänomenologischen läge. Ansonsten sehe ich die Psychologie als eine effektive Theorie, deren Rückführung auf Grundprinzipien aber natürlich noch aussteht.
Bei Sachen, die ähnlich geartet aussehen wie andere Gesetzmäßigkeiten, wo elementare Erklärungen früher nicht möglich waren, mittlerweile allerdings schon. Im gewissen Sinne würde ich z. B. sagen, dass eine elementare Erklärung von Gravitation momentan noch nicht möglich ist, aber ich habe gutes Zutrauen, dass sich da noch einiges tun wird. Ich halte es auch für gut möglich, dass irgendwann auch eine elementare Erklärung des Phänomens Leben möglich sein wird, auch wenn ich mir da noch nicht ganz so sicher bin.
Gravitation und Leben stehen auf verschiedenen Erklärbarkeitsstufen, ja. Aber mir erscheinen Leben und Bewusstsein als auf der gleichen Stufe stehend: reduktionistische Erklärung nicht sicher, auf jeden Fall in weiter Ferne, aber auch ohne bisherige Anzeichen auf die Unmöglichkeit. Das einzige wäre eben die Vorannahme, dass es bei letzterem nicht gehen darf.

Zum Chinesisch: was der Sinn des Gedankenexperimentes ist, ist mir schon klar, allerdings ist für mich die Frage, ob so eine perfekte Kenntnis ohne Verständnis möglich ist, keine Frage der praktischen Durchführbarkeit, sondern ein fundamentaler Punkt, der gerade den Unterschied zwischen einem lernfähigen, selbstständig verallgemeinerungs- und analysefähigen organischen Bewusstsein und einer reinen Antwortmaschine herausstellt. Aber wie gesagt, umgeschrieben auf letztere, liefert das Gedankenexperiment eine entscheidende Frage. Aber die ist meines Erachtens weniger die nach
Es ist nicht gleichbedeutend, dass jemand von außen (oder auch in seinem Gehirn) alle Merkmale von Bewusstsein erfüllt und dass er Bewusstsein hat
sondern eher die nach
auch wenn vermutlich in unserer Welt tatsächlich jeder, der das eine erfüllt auch das andere erfüllt
Es erscheint mir unzweifelhaft, dass die Fülle der Situationen, auf die ein Bewusstsein spezifische Antworten finden würde, so groß ist, dass es mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des beobachtbaren Universums nicht möglich ist, einen vollständigen Emulator zu bauen. Daher muss etwas, das erfolgreich als Bewusstsein durchgehen kann, bereits ein Bewusstsein sein. (Der Turingtest dagegen wäre vielleicht machbar, denn durch die Einschränkung der zu begutachtenden Prozesse auf Kommunikation und dieser auf reine Textnachrichten wird die Anzahl der zu behandelnden Kontexte enorm reduziert, etwa um e-noons Wasser-Beispiel.)
Jeder Diskussion von Bewusstsein, die also nicht die Innenperspektive eines Menschen berücksichtigt, ist daher entscheidend unvollständig und zum Scheitern verurteilt.
Genaugenommen besteht ja jede Diskussion von irgendetwas nur aus der Innenperspektive eines Menschen. ;) In dem Sinne, in dem du es meinst, denke ich, dass sich bei groß genugen Untersuchungen intersubjektiv hinreichende Informationen über die Innenperspektive sammeln lassen. Zumindest basiert ja die gesamte Philosophie auf diesem Vorgehen, wenn auch eben nicht mit großen und sauberen Untersuchungen.


@e-noon und Jan: Natürlich meinte ich das "leider" im Sinne des "entschuldige, dich deiner Illusionen berauben zu müssen". ;) Und ja, der Unterschied zwischen einer Schwingung (im Mittel bzw. langfristig keine Änderung) und einer Bewegung (eben jenes doch) ist wohl nur für einen Physiker elementar wichtig.

@JanW: Interpretiere ich dich richtig, dass du zwar in gewissem Umfang religiös bist, aber von der vollständigen physikalischen Erklärbarkeit von Welt und Bewusstsein ausgehst?

Padreic
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So 1. Mär 2009, 20:28 - Beitrag #22

@Traitor
Diese beliebte Aussage setzt voraus, dass es etwas Anderes gibt, das realer ist als die physikalischen Modelle. Einerseits könnten Konstruktivisten (denen ich bekanntlich fern stehe) einwänden, das Reale gäbe es erst, wenn wir es messen und modellieren. Andererseits kann man, wenn man etwas an sich Real seiendes annimmt, immer noch annehmen, dass die Modelle der Physik eine hinreichend gute Näherung daran sind, dass sie für alle Zwecke als damit identisch aufgefasst werden können. Eine Restunsicherheit besteht immer, dass sie letztlich doch nur eingeschränkt korrekt sind und wesentliche Teilaspekte auslassen, aber die bisherigen Erfolge und das völlige Fehlen konkurrenzfähiger Ansätze machen für mich die Annahme weit ökonomischer, dass sie die Realität hinreichend abbilden.

Dieses realere ist die sogenannte Realität ;). Über den Konstruktivismus müssen wir meinetwegen nicht reden, da auch ich ihn ablehne, da er aus (mMn) falscher Sparsamkeit epistemische mit tatsächlicher Realität gleichsetzt.
Zu deinen anderen Punkten kann ich dir höchstens teilweise beistimmen. Die physikalischen Theorien sind modelliert an der (äußeren) empirischen Wahrnehmung. Um diese theoretisch zu systematisieren und für die Zukunft vorherzusagen, sind sie gemacht und darin sind sie auch recht gut. Innere Wahrnehmung wurde (berechtigterweise) bei all der Modellbildung ignoriert und für alle psychischen Vorgänge bietet die Physik kein auch nur ansatzweise handhabbares Modell. Viel handhabbarere Modelle liefert hier die Psychologie mit Grundeinheiten wie Gedanken und Gefühlen. Es gibt erstmal keine Hinweise darauf, dass Gedanken weniger real wären als Quarks oder Atome oder bedürftig wären, auf diese rückgeführt zu werden; allerhöchstens, weil die Psychologie weniger präzise Vorhersagen machen kann als die Physik; man muss aber auch zugeben, dass die Physik bei sehr komplexen Systemen auch ihre Probleme hat. Ich kenne erstmal keine Gründe, warum Gedanken etwas sein sollten, das zumindest näherungsweise durch die physikalischen Modelle beschrieben wird, außer den, dass man hofft, für alles eine gemeinsame Theorie zu finden und die Physik hier für die aussichtsreichste hält.
Wie gesagt, man kann natürlich annehmen, dass die Beschreibungen der Physik hinreichend gut sind, dass man die Realität für alle Zwecke damit als identisch annehmen kann, aber es gibt in manchen Bereichen keine großen Erfolge, die darauf hinweisen und so haftet dieser Annahme eine gewisse Willkür an.

Denn meine Anforderung an die Definition ist nur, dass in jedem real auftretenden Kontext klar ist, was exakt der Philosoph mit seinem Begriff meint.

Was meint denn der Physik mit exakt mit dem Begriff 'Elektron', wenn er annimmt, dass er die Realität beschreibt? Eine mathematische Definition trägt höchstens dann weiter, wenn so etwas wie Hilberträumen Realität in der Welt beimisst.
Ich denke, dass man im Normalfall die Bedeutung eines Wortes erfasst haben sollte, wenn man in der Lage ist, festzustellen, wann man ein "Exemplar" vor sich hat. In der Weise kann man wohl ohne Zweifel 'Elektron' definieren (das physikalische Weltbild vorausgesetzt und von gewissen praktischen Hindernissen abgesehen). Aber ich weiß auch ganz genau, wann ich beobachte (und auch was das heißt).
[im Zweifelsfall ignoriere diese beiden Absätze, da sie, denke ich, nicht soo viel neues beitragen ;)]

Das Kriterium hilft mir gar nicht, die ungefähre Beschreibung dagegen durchaus. Hier erschiene es mir aber sehr viel effizienter, den von dir beschriebenen Sachverhalt als "bewusstes beobachten" zu bezeichnen und "beobachten" fundamentaler zu verwenden. Quanteninteraktionen müssen nicht unbedingt drin enthalten sein, einer Kamera mit angeschlossener Bildanalysesoftware das Beobachten abzusprechen, halte ich aber für eine zu große Abweichung zum Alltagsgehalt des Wortes, und da sich zwischen Kamera und Quantenprozessen wiederum philosophisch kaum eine Grenze ziehen lässt, erscheint mir die inklusionistische Verwendung insgesamt schlüssiger.
Ich denke, dass es ein abweichender Sinn ist, dass Kameras einen beobachten, solange kein Bewusstsein sich ihnen bedient. Man ist dazu hingezogen durch Kamera-Auge-Analogien, genauso wie man dazu hingezogen ist, einem Spielzeugroboter elementare Emotionen zuzuschreiben.

Die Nichtexistenz echter Objektivität vorausgesetzt, besteht für mich kein fundamentaler Unterschied zwischen externer und interner Wahrnehmung. So würde ich als die wesentliche Eigenschaft des Bewusstseins seine Funktion als ein Selbstbeobachtungssinn des Gehirns bezeichnen, darauf wollte ich auch mit meinem Taskmanager-Vergleich hinaus. Wir nehmen über elektrische Impulse war, wie unsere Umgebung aussieht, und analysieren dies anhand einer Kombination von Erinnerungen und Verstand; oder wir nehmen über elektrische Impulse war, was gerade in unserem Gehirn vorgeht, und analysieren dies auf analoge Weise. Das ist nur eine Metaebene, kein völlig anderer Prozess.
Wie bereits oben geschrieben, sehe ich das Bewusstsein primär als eine Selbstwahrnehmungsebene, kann ich deiner Abgrenzung zu "innerer Wahrnehmung" so nicht zustimmen, bzw. sehe keine schlagenden Argumente, was am Bewusstsein außerhalb des Phänomenologischen läge. Ansonsten sehe ich die Psychologie als eine effektive Theorie, deren Rückführung auf Grundprinzipien aber natürlich noch aussteht. [Zusammenfassung von mir]

Den fundamentalen Unterschied, den ich anzeigen wollte, sehe ich auch nicht zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung, sondern zwischen Wahrnehmen und Wahrgenommenen. Genauso zwischen Analysieren und Analysiertem. Es ist eine fundamentale Subjekt-Objekt-Beziehung. Diese ist nicht nur grammatisch wie in "Der Ball zerschlägt die Scheibe.". Bei dem, was dem Satz real passiert, gibt es keine Subjekt-Objekt-Trennung; es gibt einen Haufen Atome, die sich auf bestimmte Weise bewegen. Anders als bei "Ich sehe den Ball." oder "Ich analysiere meine Erinnerungen an die gestrige Sneak." Hier gibt es eine gerichtete Intentionalität vom Verb auf das Objekt. Was dieses 'Ich' ist, bleibt natürlich erstmal ein wenig rätselhaft. Wenn es mehr ist als ein Haufen von Eindrücken (und dass man berechtigterweise von solchen Sätzen wie den obigen sprechen kann, deutet darauf hin, ebenso unser Selbstbild), sondern es tatsächlich ein Ich als Subjekt real gibt, dann ist das wohl ein weiterer Hinweis darauf, dass nicht alles identisch mit Physikalischem ist.

Es erscheint mir unzweifelhaft, dass die Fülle der Situationen, auf die ein Bewusstsein spezifische Antworten finden würde, so groß ist, dass es mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des beobachtbaren Universums nicht möglich ist, einen vollständigen Emulator zu bauen. Daher muss etwas, das erfolgreich als Bewusstsein durchgehen kann, bereits ein Bewusstsein sein.
Zumindest deiner (und vielleicht auch meiner) Ansicht nach, ist es (prinzipiell) möglich, einen Simulator zu bauen, der nach außen hin genau das leistet, was ein bewusster Mensch leistet, und bequem in einen Kopf passt: ein Gehirn. Mit zukünftiger Technik sollte es auch möglich sein, in einer vernünftigen Größe einen Computer in herkömmlicherem Sinne zu bauen, der das gleiche hinbekommt (obgleich es eine sehr interessante Frage ist, ob unser Geist nur die Mächtigkeit einer Turingmaschine hat). Deine Argumentation sagt nichts darüber aus, ob so ein Gehirn oder so ein Computer mit irgendetwas in Zusammenhang steht, das Ähnlichkeit mit etwas, das wir im selben Sinne Bewusstsein nennen würden, wie das, das wir erleben.

Das hängt natürlich mit dem Rätsel zusammen, warum wir überhaupt anderen Menschen Bewusstsein zuschreiben. Alles, was wir sehen, lässt sich auch ohne das erklären (zumindest genauso gut wie mit). Ich denke, es kommen zwei Sachen zusammen, die uns aber doch zu der Annahme verleiten. Das erste ist, dass sich andere Menschen verhalten, als ob sie Bewusstsein hätten. Das andere ist, dass es keine wesentlichen naturwissenschaftlich feststellbaren Unterschiede zwischen uns und anderen Menschen gibt, insbesondere die Genese die gleiche ist, weshalb wir Grund haben anzunehmen, dass wir uns auch in der Hinsicht des Bewusstseins gleichen. Der zweite Punkt hängt natürlich mit dem Rätsel des Lebens zusammen. Wir sind sehr viel eher bereit anzunehmen, dass ein Lebewesen eine Form des Bewusstseins hat als dass ein nicht-Lebewesen (meinetwegen eine Maschine) eine Form des Bewusstseins hat. Eine reduktionistische Erklärung des Lebens würde natürlich diesem Punkt den Wind aus den Segeln nehmen, da daraus eine qualitative Gleichartigkeit der Genese von Lebewesen und Maschinen folgen würde.

janw
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Mo 2. Mär 2009, 01:40 - Beitrag #23

Zitat von Traitor:Interpretiere ich dich richtig, dass du zwar in gewissem Umfang religiös bist, aber von der vollständigen physikalischen Erklärbarkeit von Welt und Bewusstsein ausgehst?

So könnte man sagen, ja, wobei über die physikalische Erklärbarkeit von Bewusstsein zu reden wäre...es ist ein emergentes Phänomen und als solches in den zugrundeliegenden physikochemischen Prozessen zu erklären, was jedoch nicht für seine konkrete Ausgestaltung gilt.

dmz
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Fr 6. Mär 2009, 00:42 - Beitrag #24

@e-noon
Zwei Leitfragen, von denen meinetwegen auch abgewichen werden darf:
1) Was ist Bewusstsein und welcher "Seinsstufe" ist es zuzuordnen?
2) Wäre eine dualistische Sicht noch naturalistisch? Wie?

:
Philosophisch gesehen wuerde ich die Diskussion ums *Bewusstsein* der ontologischen Betrachtung zuordnen,
in dualistischer Sicht der mechanistischen Reduktionsmethode.
Aber es gibt keinen Unterschied zwischen Gehirn und Bewusstsein.
:
Der Begriff *Bewusstsein* ist metaphorischer Art und steht fuer etwas,
was man Eigenschaft des Gehirnes nennen muss.
Im Sinne dieses Ganzheitsaspektes akzeptiere ich,
dass das Gehirn *nicht* nur strukturierte Materie ist,
sondern dass sich darin oder dahinter Funktionalitaet verbirgt.
Sonst handelte es sich nicht um das Gehirn.
:
Bewusstsein ist *nicht* eine Art "dingliches" Element des Gehirnes sondern funktionales Merkmal desselben
und steht fuer das anscheinend unbegrenzte Potenzial eines "Denkapparates",
Gedankenvielfalt zu produzieren.
Das *Bewusstsein* kann nicht "dingfest" gemacht werden,
und wenn man in diesem reduktionistischem Sinne weiterhin nach ihm suchen wuerde,
bedeutete das, einem Phantom nachzujagen.
:
Wenn also das sogenannte *Bewusstsein* kein Element sondern Merkmal bzw Eigenschaft ist
- im Sinne des Ganzheitsaspektes -,
stellt sich eigentlich die Frage, wie es *funktioniert*.
Und das bedeutet, eine Diskussion ueber Metasprache, Gedankenmuster bzw Netzwerke zu fuehren.

Ipsissimus
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Do 12. Mär 2009, 11:49 - Beitrag #25

Fakt ist, wir können nach dem derzeitigen Stand des Wissens keinen definitiven Bescheid über den ontologischen Status von Bewusstsein erteilen; es bleibt Spekulation. Die Wahrscheinlichkeit spricht meines Erachtens derzeit aber eher für ein Emergenzphänomen hochkomplexer Materieanordnungen als für eine eigene Entität; dies aus dem gleichen Grund, wie beim Argument von der unendlichen Anfangsrekursion, welches die Gotteshypothese zwar nicht in einem logisch absoluten Sinne erledigt, aber die vollkommene Unfruchtbarkeit und Überflüssigkeit der Hypothese beweißt.

Ipsissimus
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Fr 13. Mär 2009, 14:07 - Beitrag #26

Traitor, wenn für dich Gedanken völlig physikalisch sind, worauf bezieht sich das? Für mich ist es zwar klar, dass Gedanken mit chemisch-physikalischen Prozessen im Gehirn korreliert sind, aber diese Sicherheit bezieht sich nur auf die Syntax, nicht auf die Semantik. Ein Gedanke ist ja nicht nur der neurologische Prozess, ein Gedanke ist auch Inhalt. Glaubst du, neurologische Prozesse seien irgendwann auf Gedankeninhalte abbildbar, also sagen wir mal (vereinfacht), die Stromstärke von 0,004236 µA in Neuronenverbindung 12345678 bedeutet, dass ich gerade "Donaudampfschiffahrtkapitänspatent" denke, die Stromstärke 0,004238 µA in derselben Neuronenverbindung bedeutet hingegen, dass ich gerade "ein Film ist ein Film ist ein Film" denke?

Ich bezweifele, ob der Inhalt eines Gedankens wirklich als physikalischer Natur seiend zu deuten ist, obwohl er zweifellos physikalisch wirksam wird. Interessant wäre z.B. auch die Frage, ob es in der Natur Zahlen gibt, oder ob das nur Elemente der Beschreibungssprache sind

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