Zitat von e-noon:Kleine Anmerkung zum Wikipedia-Artikel:
"in der Menschen die ungerichtete Evolution überwinden würden"
Ist klar, was gemeint ist - nicht der Zufall entscheidet, welche Augenfarbe mein Baby hat und ob es behindert ist, sondern ich. Ob das allerdings die ungerichtete Evolution ueberwindet oder nur Teil von ihr ist, koennte man diskutieren.
Nun, sicherlich eine Frage der Weltanschauung, aber vielleicht doch eine grundlegendere Frage über eine Reichhaltigkeit der Weltanschauung? Betrachten wir die beiden naiven Extrema:
Evolution ist ungerichtet. Künstliche Eingriffe des Menschen sind ebenfalls ein Spiel der Evolution und insofern natürlich und ungerichtet.
Evolution ist ungerichtet. Künstliche Eingriffe des Menschen überwinden dies und geben Form.
Bevor ich beide Fälle erörtere will ich noch darauf hinweisen, dass gewollt ist, in beiden fällen "Evolution ist ungerichtet" zu Beginn zu lesen. Meiner Meinung nachwird hierin der Schlüssel für eine sinnvolle Beantwortung liegen, der Leistung des Evolutionsbegriffes.
Nun, im ersten Fall ist unsere Aussage meiner Meinung nach nicht sehr reichhaltig, der Evolutionsbegriff wird hier implizit gestreckt, der Gehalt ist gering. Man kann sich gleich ethische Fragen nach Heilungsmethoden stellen, ohne überhaupt zu Eugenik übergehen zu müsen: Kann man die nicht weglassen, wenn es ohnehin ungerichtet ist? Welchen Wert haben sie, wenn sie denn ungerichtet sind?
Es ergibt sich eine Konfrontation mit unserer Intuition.
Im anderen Fall wird der Bereich, wo Evolution natürlich stattfindet, eingeschränkt. Unter der Prämisse, dass Evolution ungerichtet sei, ist die Überwindung aber kein evolutionärer Prozess, was ist es aber dann? Spätestens jetzt wird der Evolutionsbegriff strapeziert und die Was-ist-Frage muss gestellt werden. Ungeachtet dessen sind wir aber ein Ergebnis von Evolution, unsere tätigkeit also auch, unsere Tätigkeit der Überwindung ist somit ungerichtet.
Mir scheint hierbei vieles durcheinander zu gehen, einerseits der Evolutionsbegriff, andererseits die Betrachtung des selbigen und die Betrachtung von ungerichtet.
Ich halte es für zweckmäßig, anthropozentrisch zu verfahren, d.h. bei der Entwicklung eines Begriffes von Evolution den Menschen herauszunehmen, ihm eine Sonderrolle zu geben. Dies lässt sich auch schon dadurch rechtfertigen, dass wir selbst es sind, die den Begriff prägen. Wir erhalten somit eine Unterscheidung zwischen natürlicher Evolution, im Sinne dass keine menschliche Handlung involviert ist und eben jene menschgemachte, wo menschliche Handlung involviert ist. Offensichtlich mündet letztere nicht in erstere. Üblicherweise setzt sich eine Handlung aber aus Ziel, Zweck und Mittel zusammen, Dinge, die es per se gerichtet erscheinen lassen. Jetzt muss man aber unterschieden zwischen gewollten und nicht-gewollten Handlungen, der bisherige Begriff der Evolution ignoriert dieses. Können wir also ungewollt Evolution betreiben? Zweifelsohne wäre diese ungerichtet. Ich plädiere dafür, diesen Teil der Evolution aus menschlicher Handlung herauszulösen und eine eigene Daseinsberechtigung einzuräumen.
Viel intressanter für die von e-noon gestellte Frage sind aber die gewollten Handlungen, diese sind mit Sicherheit gerichtet. Es ist wohl klar, dass nun eine Überwindung stattfindet.
Das obskure ist nun aber, dass etwas ungerichtetes etwas gerichtetes erzeugt, in gewissen Sinne ist diese Gerichtetheit aber tatsächlich eine Ungerichtetheit, dennoch aber behauptet, eine Überwindung zu sein. Mir scheint, eine Auflösung hiervon erhalten wir, wenn wir "ungerichtet" genauer betrachten. Ungerichtet heißt doch soviel, dass ein Ziel nicht vorgegeben ist. Wir nehmen aber nun Einfluss auf dieses, was ungerichtet ist, in nat. Erwartung wird dieser Einfluss aber nicht ungerichtet sein, würde uns das doch nur zu einem Werkzeug degradieren. Zwecke von Handlungen würden sich ad absurdum auflösen. Kein schöner und auch kein sinnvoller Gedanke wie ich finde.
Für mich komme ich zu dem Ergebnis: Für einen außenstehenden Betrachter bleibt Evolution auch noch ungerichtet, wenn es Viecher gibt, die Einfluss nehmen. Als teilnehmender Akteur der Einflussnahme kann ich von einer Überwindung sprechen. Weiterhin ist es für mich klar, dass wir uns in letzterer Sitation befinden.