The_SecretGood Member
Beiträge: 418Registriert: 28.02.2004
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Abschied
Irgendwie ist es mir zu laut, der kleine Wasserfall an unserem Teich. Sonst ist er mir nie zu laut. Ich sitze gerne auf der roten Brücke und sehe zu, wie das Wasser über die Steine in die Tiefe jagt, doch heute erscheint mir das Rauschen wie ein Dröhnen. Ich werde unruhig und fühle mich nicht so besonders, doch das ist auch verständlich, oder? Ich lasse meinen Blick zur Seite wandern, nicht das erste Mal an diesem Abend.
Wie schon so oft in den letzten drei Jahren sitzt er neben mir, die Füße im kalten Wasser, doch diesmal lächelt er mich nicht aufmunternd an, wuschelt mir durchs Haar und zwinkert. Diesmal rege ich mich nicht über seine Scherze auf und zwicke ihm in die Seite. Heute sind wir nicht glücklich. Er sieht mich nicht mal an. Sein Blick geht starr gerade aus zum Wasserfall. Er hat ein schlechtes Gewissen, man sieht es ihm deutlich an und er sollte auch eines haben. Warum jetzt? Und warum hat er mir das nicht früher gesagt. Die Stille zwischen uns ist erdrückend. Auch wenn das Dröhnen des Wassers bis tief in mein Innerstes hallt, so fühle ich mich doch so leer und in einer beklemmenden Stille gefangen.
„Und morgen fliegst du also, ja?“
Endlich sieht er mich an. In seinen grauen Augen spiegelt sich Trauer und Schuldgefühl. Er schweigt, natürlich schweigt er, was soll er mir schon sagen? Er nickt nach einer Weile langsam und streicht sich eine Strähne seines braunen Haares zurück.
Ich wende mich ab. Ich merke schon, wie meine Wangen zu glühen und meine Hände zu zittern beginnen.
Ich weiß, dass er etwas sagen will, doch er kann nicht, was sollte er mir schon sagen. Seit drei Monaten weiß er, dass er morgen ins Ausland ziehen wird, doch er hat mir nichts gesagt. Gerstern waren wir noch zusammen unterwegs, und er hat nichts gesagt. Ich habe es von meiner Mutter erfahren, als sie heute Morgen mit unseren Nachbarn geredet hat und diese wissen wollten wo es hingeht, wir wussten davon nichts. Als ich das gehört habe bin ich sofort aufs Fahrrad und hin zu seinem Haus. Ich habe die Möbelpacker gesehen, seine Mutter im Stress und ihn, wie er sich von seinen Freunden verabschiedet hat, dann hat er mich gesehen und sein Lächeln war verschwunden. Ich habe sofort wieder kehrt gemacht und bin nach Hause. Es dauerte eine Weile, doch am Nachmittag kam er dann und wollte mich sehen und seitdem sitzen wir hier und schweigen… Seid zwei Stunden…
„Ich… ich muss jetzt wieder los“, flüsterte er, „ morgen geht der Flug sehr früh….“
Ich nicke nur und spüre sein Zögern, als er aufsteht, spüre seine Hand, wie sie sich mir nähert und mich doch nicht berührt. Trotz des Wasserfalls höre ich wie sich seine Schritte entfernen. Ich springe auf und sehe ihn mit Tränen in den Augen an.
„HAST DU MIR DENN GAR NICHTS ZU SAGEN?“
Er dreht sich zu mir um, in seinen Augen glitzern Tränen, Tränen, die schon längst in kleinen Bächen über meine Wange rinnen, Tränen der Trauer.
„Doch, aber das, was ich dir aus tiefsten Herzen sagen will, würde alles nur noch schlimmer machen.“
„Wieso? Wieso hast du mir nichts gesagt? Wieso?“
„Ich wollte nicht, dass du weinst.“
„LÜGE!“
„… ich… ich wollte nicht, dass du dich mir gegenüber anders verhältst... ich hatte Angst, das deine Fröhlichkeit unecht werden würde und du dich distanzierst… ich… ich wollte dich nicht früher verlieren, als ich gehen muss, bitte glaube mir...“
Meine Knie geben nach und ich breche zusammen. Der Wasserfall hat aufgehört und die Pumpe sich abgeschaltet.
„Wir können uns ja schreiben und… ich komme dich in den Ferien besuchen und du mich auch mal…“
Ein letzter Strohhalm an den wir uns klammern können, obwohl wir genau wissen, dass wir uns nie wieder sehen. Etwas, mit dem wir versuchen können unseren Schmerz zu verdrängen, etwas, an das wir uns klammern können, jetzt, wo wir wieder alleine sind.
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