RosalieAdvanced Member
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Nun erzeahl mir Dein Bangkok. Darum geht es doch, und es bedeuted so viel mehr... Die lange, geistige Anreise auf die andere Seite. Durchs Niemandland China, den Dschungel von Vietnam und Kambodien, auf die andere Seite von Asien, die andere Seite von Reise, vom grossen 'Wir'. Erzeahl mir von Deinem Bangkok, doch wie soll es meines sein, zu viele Bilder sind schon vorgemeisselt, nicht wahr? Wir koennen Malen-nach-Zahlen spielen, ich habe alle Buntstife die man sich wuenschen kann angesammelt. Dann steht hier, dass unser erstes Erwachen, verkatert und vollgepumpt, im Zimmer mit einem nackten Paerchen und Japanerinnen und Polinen in halb-bemuehter Unterwaesche stattfand, so klingt das dann. Aber damit muss ich kurz auf mein Gehirn zu sprechen kommen, ein vortreffliches Spielzeug! Allerdings hat es soziale Nebenwirkungen, etwa dass die Anderen lieber mit Deinem als mit ihrem spielen. Und sie wollen dass Du staendig das gleiche spielst wie sie. Nun, 'rationale Vernunft' zum Beispiel ist ein heiteres Konzept, wie uebrigens auch Halma, aber manch einer will lieber Schach, Twister, Strip Poker oder russisches Rolett mit seinem Gehirn spielen (oft: In Bangkok). Das Problem dabei ist, dass das Gehirn, die alte Socke (uebrigens das Koenigsorgan des menschlichen Koerpers - behauptet zumindest das Gehirn), dass das Gehirn zumeist seine eigenen Spiele mit Dir treibt und in Richtungen marschiert die mit der Aufgabenstellung (heute: Text ueber Bangkok) nur marginal zu tun haben. Siam's gonna be the witness of the ultimate test of cerebral fitness. Ich will nun versuchen es zu ueberlisten, den alten Krawallbruder Gehirn, und ein synaptisches Hussarenstueck versuchen:
Zum Thema Bangkok ist es so, dass es leider einmal gar keinen Satz gibt, in dem "Bangkok" vorkommt, den man nicht irgendwie rechtfertigen koennte. Bangkok leuchtet im Dunkeln; Bangkok hat Boris Jeltzin nackt gesehen; Bangkok hat die Extraportion Milch. Bangkok ist nur echt mit Gimmick; Bangkok ist nicht Wahnsinn, Bangkok ist Sparta; Bangkok hat voraussichtlich zehn Minuten Verspaetung und dankt ihnen fuer ihr Verstaendnis; Haette Bangkok damals nur auf mich gehoert, dann wuerden all diese Kinder heute noch am Leben sein; Bangkok ist stolz darauf Mitglied des Westwärts-Teams zum sein.
Ueber all diesem Trubel wacht Thailands beliebtester Comicheld, der Koenig von Siam, seine Majestaet Rama der Neunte. Meterhohe goldgerahmte Foto-Panels zeleberieren an jeder grossen Strasse die Best-of-Momente des knuffigen Heroen. Rama der Neunte und seine neue Krone! Rama der Neunte trifft den blinden Heiligen! Rama der Neunte beim Militaer! Rama der Neunte und die Juwelen der Saengerin, Rama der Neunte und der Schatz Rachams des Roten... Irgendwo muss es die Strasse mit der Galerie der wilden Jugendjahre geben, also laufe und suche ich weiter. Laufen muss gar nicht sein, denn links und rechts rufen die Tuk-Tuk-Faher "Hey Man, where you going?" (Englische Uebersetzung: "Can I drive you somewhere?") und Tuk-Tuk Fahren geht neuerdings umsonst, denn "I drive you free, show you good store, just looking!". Mein neues Hobby, Scam-Surfen, all die Betrugsversuche mitnehmen die Wikitravel.com als Landesspezialitaeten erwaehnt, denn auch hier gibt es mehr als eine Moeglichkeit wie das ablaufen kann. Ich war ja selbst enttaeusch genug, dass man mir keinen Massanzug in Marsupilami-Farben schneidern konnte, zahlungswillig war ich wohl! "Are you kidding me?!? I was driving through half the town and now you can't do that? NO, NOT TIGER, for heaven's sake, MARSUPILAMIAN VELVET!!!" Schwieriger wird es, die "Free Show" bei den roten Lichtern zu ueberlisten. Mein Gehirn schleagt vor, "I want to hear from the manager that it's free, can you bring me to him?" (aber vom Gehirn wurde ja schon gesprochen). Managerin kommt, kleine gelbe Plastikplakette in der Hand: "Beer 100 Baht, Looking free", nice! Beim Bezahlen eine Rechnung von 1000 Baht. "Looking is 900 Baht, Sir!" "Oh no, it certainly isn"t." "That's the price, you don't make us trouble, do you?" "Go away, talk to the manager!" "I am the manager, Sir!" In ihrer Hand eine klein gelbe Plastikplakette, Beer 100 Baht, Looking 900 Baht. Raffiniert! Verdammt raffiniert! Zu allem Ueberfluss sieht die neue Managerin aus wie die alte, nur mit anderem Haarschnitt. Klar, ich bin in Siam. "So we got both tricked by that evil twin of yours..." Can't be too careful with your company. NAber niemand bringt gerne Ausleander um, das macht den Fluss noch schmutziger, also kann man verhandeln, 200 Baht, 400 Baht... Tage habe ich gebraucht, um zu kapieren dass die nicht dauernd von "Bucks" reden...
Trotzdem sind irgendwann Bahts und Bucks und Kroeten alle weg, Freundin auch weg, im Hintergrund leauft die Thai-synchronisierte Version der Trapp-Familie, und wo bin ich ueberhaupt? Ueber der Autobahntrasse zwischen den Hauesercanyons leuchtet mir seine Majestaet Rama der Neunte in Bergsteigerkluft mitfuehlend entgegen, gut genug. Strahlt wie ein Rennaisance-Cherub, der vom Heiligenschein der Madonna genascht hat. "Hey Man, where you going?" jodelt er mir durch den Regen hindurch hinunter. Antworten mag ich aber nicht, der will mich bestimmt auch nur auf seinen Berg mittuckern, ausserdem faellt mir auf dass ich die Antwort schon lange nicht mehr kenne. Und dann dieser Regen... Schottischer Regen ist ja wirklich respektabel, aber ich glaube nicht dass Bangkok-Regen seine Toechter mit ihm verheiraten wuerde. Zum Glueck bin ich nicht der Einzige, der da mit klebenden Kleidern barfuss in den Pfuetzen sitzt, es gibt ja auch noch Frauen mit solchen Shirts, die sich fuer Koalabaeren am Eukalyptusbaum halten. Regenzeit ist's, sagt man... You are talking to a tourist whose every move's among the purest.
Zu allen Teufeln aber gibt es Heilige, gerade in Bangkok. Stumme Waechter in orangenen Gewaendern, in allen Zwischenzonen, in den Gassen. Die Moenche, fuer die die letzten Reihen in Bus und Boot reserviert sind, die in jeder Strasse auf und ab gehen. Auf einem Schiff entbrennt ein hysterischer Streit zwischen einem Thai-Paerchen, es fliessen Traenen, Schreie. Die Moenche in der letzten Reihe stehen schweigend auf, gehen nach Vorne. Legen die Haende auf die Schultern der Streitenden, gesenktes Haupt, Zeit haelt an. Gaensehaut, Wim Wenders muss hier gewesen sein, eine Action-Szene fuer die sich jeder Rollenspieler ein Bein ausreissen wuerde. Nichts wird mir geschehen, solang die Moenche hier sind! Not much between despair and extasy.
Nun erzeahl mir Dein Bangkok in unter 25 Woertern. Bangkok, Hauptstadt Thailand, in Thai-Sprache 'Krung Thep', Stadt der Engel, 11 Millionen Einwohner, vereint Gegensaetze. Hm, vier Minus, setzen! Darf ich's nochmal versuchen? Gerne, gerne... Fuer den reisenden Romantiker bist Du das Venedig des Orients, am Abend, in der Nacht zeigst Du Dein wahres Gesicht als gewaltteatig-alkoholischer Stiefbruder Amsterdams. Besser, Zwei Plus.
"Well, we didn't come her for the rubble certainly", sagte einer, fair enough. Um sein eignes Bild zu malen, seine eigene Geschichte zu erzeahlen, muss man tiefer und weiter hinunter. Damit ein Ort eine kleine Station Deines Lebens werden kann, eine eigene Note in deiner Partitur, muessen Klischees von innen gesprengt werden, wie der Meteor von Bruce Willis, mit ebvensoviel Popsong-Pathos. Massage-Paleaste nahmen mich auf im Morgengrauen, mein Geld wurde mir gestohlen in der Nacht... Partnertausch-Angebote wurden gezueckt, tintegefuellte Klingen gruben unter der Haut, Opium glomm, fluessige Neonfarbe lief ueber wogende Feuchtkoerper, Hut fuers Leben wurde gefunden, und halbverhungerte Strassenhuren haiku-en links und rechts durchs Bild. Bangkok. Thank god I'm only watching the game, controlling it. Brandungen, die blass an Deinen Klippen zerschellen, weil Du vorbereitet warst unvorbereitet zu leben. Aber Du hast die troepfelnde Erosion vergessen, die auch Bangkok ist, denn da gibt es noch so einen Satz: Was in Bangkok stirbt, stirbt nicht mit einer Detonation, sondern mit einem Fluestern. Vielleicht sollte ich mal mit einem Moench hier darueber reden... Wir werden nicht in den Klischees anderer Leute bleiben, wenigstens. Es heisst, wer nach Amsterdam geht, muss eine Sache zuruecklassen. Nun, wer hierher kommt, darf vielleicht nichts mitbringen. Wie ein Opiumtraum im Sommer ist diese Stadt zu uns gewesen, ein Traum der wie ein deutscher Schaeferhund in der Hitze nicht gut auf konkurrierende Artgenossen zu sprechen ist. Ich kann Anfang oder Ende sein, aber denke nicht Du kommst hier durch ohne mich zu unterhalten, sprach Bangkok, und ein Werbeplakat kommentiert ironisch "it's not where you go - it's who you meet!"
Und dann, Kamerad, frag Dein Lieblingsspielzeug Gehirn, angeblich der Rama Neun des menschlichen Koerpers, was es dazu zu sagen hat... dann weisst Du wer hier der Spielleiter war. Es war ein langer gemeinsamer Weg, westwärts, auf die andere Seite. Der Weg ist nicht hier, er fliesst in unseren Adern. Und er schafft Vertrauen in eine weitere, andere Seite, mit noch mehr Popsong-Passion und neuen Brandungen.
Jede gute Reise sollte enden, wie sie nie geplant war. Und größer werden.
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