So, nach längerer Zeit und dem Lesen eines Buches über evolutionäre Psychologie hoffe ich eine Antwort geben zu können, die objektiver ist als meine subjektiven Eindrücke bisher, aus denen ich etwas hergeleitet habe.
Zitat von C.G.B. Spender:Bauer schrieb etwas über Evolutionspsychologie?
Ich zitiere, wie in den letzten Tagen schon öfters^^, wieder aus dem Buch "Evolutionäre Psychologie" von David M. Buss.
[quote]
Frauen gehören zu den wenigen weiblichen Primaten mit der ungewöhnlichen Adaptation der verborgenen oder verschlüsselten Ovulation (obwohl diese, wie bereits beschrieben, vielleicht weniger verborgen ist als wie denken). Eine solche verschlüsselte Ovulation verschleiert den aktuellen reproduktiven Status einer Frau und verändert die Grundregeln des menschlichen Paarungsverhaltens. Frauen sind für Männer nicht nur während der Ovulation, sondern während ihres gesamten Zyklus attraktiv. Die verborgene Ovulation stellte für Männer ein adaptives Problem dar, indem es die Gewissheit ihrer Vaterschaft reduzierte. Denken wir an ein Primatenmännchen, das die anderen Männchen daran hindert, sich mit einem Webchen zu paaren, während es im Östrus ist. Im Gegensatz zu den Menschen kann er seine Vaterschaft ziemlich sicher sein. Der Zeitraum, in dem er sein Weibchen abkapselt und sich mit ihm paart, ist stark eingeschränkt. Vor und nach ihrem Östrus kann er seinen anderen Geschäften nachgehen, ohne das Risiko einzugehen, dass er seine Partnerin von einem anderen Männchen befruchtet wird.
Unsere Vorfahren verfügen nicht über diesen Luxus. Da Paarung nicht die einzige Aktivität ist, derer es bedarf, um zu überleben und sich fortzupflanzen, konnten Frauen nicht rund um die Uhr bewacht werden. Je mehr Zeit ein Mann damit verbrachte, eine Frau zu bewachen, desto weniger Zeit hatte er, sich um entscheidende adaptive Probleme zu kümmern. Unsere männlichen Vorfahren waren daher mit einem einzigartigen Vaterschaftsproblem konfrontiert, dem sich andere männlichen Primaten nicht ausgesetzt sahen: wie konnte man seiner Vaterschaft sicher sein, wenn die Ovulation verborgen war?
Heirat stellte eine potentielle Lösung dar. Verheiratete Männer profitierten im Vergleich zu anderen Männern von der erhöhten Sicherheit ihrer Vaterschaft. Wiederholter sexueller Kontakt während des Zyklus erhöhte die Chancen, dass eine Frau das Kind eines bestimmten Mannes zur Welt brachte. Die sozialen Traditionen der Heirat dienen als öffentliche Verbindung des Paares und geben ein klares Signal darüber, wer mit wem zusammen ist und reduzieren somit potentielle Konflikte innerhalb männlicher Koalitionen. Durch Heirat hat der Mann auch die Möglichkeit, etwas über die Persönlichkeit der Partnerin zu lernen, wodurch es schwierig für sie wird, Zeichen der Untreue zu verheimlichen. So hätten die Vorteile der Heirat die der vorübergehenden sexuellen Möglichkeiten, die einem Junggesellen unter unseren Vorfahren zumindest unter gewissen Umständen zur Verfügung standen, überwogen.
(Anmerkung von mir: Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum sich der Autor hier auf den kulturellen Sachverhalt der Heirat beruft, es würde doch reichen bzw. es wäre sogar genauer, wenn er stattdessen die partnerschaftliche und romantische Liebe hier heranzieht, denn diese ist ja nichts anderes als eine Art Heirat, denn sie fixiert emotional 2 Partner aufeinander für längere Zeit. Ich denke, der Autor meint dies damit, hat es aber an dieser Stelle nicht gesagt. Vielleicht schlecht übersetzt?)
Damit unsere männlichen Vorfahren die reproduktiven Vorteile einer Ehe genießen konnten, mussten sie sicher sein, dass die Frau sexuell treu sein würde. Wenn Männer de Hinweise auf Untreue nicht erkannten, so erlitten sie reproduktive Nachteile, da sie Zeit und Ressourcen verloren, die für die Suche, das Werben und den Wettbewerb bestimmt waren. Erkannte ein Mann diese Hinweise nicht, riskierte er, die Vorteile elterlichen Investitionen in seine Kinder zu verlieren, die stattdessen auf die Kinder eines anderen Mannes gelenkt wurde. Außerdem bedeutet sexuelle Untreue, dass er selbst seine Bemühungen auf die Nachkommen eines anderen Mannes kanalisieren würde.
Unsere männlichen Vorfahren könnten diese adaptiven Probleme dadurch gelöst haben, dass sie Qualitäten in ihrem Partner suchten, welche die Chance der Gewissheit ihrer Vaterschaft erhöhten- Zumindest zwei Präferenzen konnten das Problem lösen: (1) der Wunsch nach vorehelicher Keuschheit und (2) das Streben nach ehelicher sexueller Treue. Vor der Verwendung moderner Verhütungsmittel war Keuschheit ein Hinweis auf die künftige Gewissheit der Vaterschaft. In der Annahme, dass die Vorliebe keuschen Verhaltens stabil bleiben würde, signalisierte voreheliche Keuschheit die wahrscheinliche künftige Treue einer Frau. Ein Mann, der keine keusche Partnerin wählte, riskierte, sich mit einer Frau einzulassen, die ihn betrügen würde.
Heutzutage scheinen Männer mehr Wert auf jungfräuliche Frauen als Frauen auf jungfräuliche Männer zu leben. Dies trifft laut einer generationsübergreifenden Studie zumindest auf die Vereinigten Staaten zu. Aber insgesamt nahm der Wert, den Männer der Jungfräulichkeit beimessen, in den letzten 50 Jahren ab, was sich mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Verhütungsmittel deckt. Noch in den 1930er Jahren betrachteten Männer Keuschheit als unentbehrlich, in de letzen 20 Jahren wurde sie lediglich noch als wünschenswert bewertet, aber nicht als entscheidend. Von den 18 in der Studie bewerteten Charakteristika fiel die Keuschheit vom 10. Platz im Jahr 1993 auf den 17. Platz in den 1990er Jahren. Zudem bewerten nicht alle amerikanischen Männer Keuschheit gleich. College-Studenten in Texas beispielsweise bevorzugen eher einen keuschen Partner als solche in Kalifornien und bewerten sie auf einer Skala bis 3,0 mit 1,13 verglichen mit 0,73. Trotz eines Rückganges der Bedeutung der Keuschheit im 20. Jahrhundert und trotz regionaler Unterschiede bleibt ein bedeutender Geschlechtsunterschied, da Männer mehr Wert auf Keuschheit legen als Frauen.
Der Trend zu mehr Keuschheit bei Männern im Gegensatz zu Frauen hält sich weltweit, variiert aber sehr zwischen den Kulturen. Menschen in China, Indien, Indonesien, Iran, Taiwan und den palästinensischen Gebieten legen einen hohen Wert auf Keuschheit bei einem potentiellen Partner, während Menschen in Schweden, Norwegen, Finnland, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich der Ansicht sind, dass Jungfräulichkeit bei einem potentiellen Partner nebensächlich oder unwichtig ist.
Im Gegensatz zu der weltweiten Übereinstimmung bei den unterschiedlichen Präferenzen der Geschlechter für Jugend und physische Attraktivität, legen nur 62% der Kulturen in der internationalen Studie über Partnerwahl einen je nach Geschlecht wesentlichen unterschiedlichen Wert auf Keuschheit in einer festen Verbindung. Wo Geschlechtsunterschiede in der Bewertung von Jungfräulichkeit vorkommen, legen Männer grundsätzlich einen höheren Wert darauf als Frauen. Es gab keinen Fall, in dem Frauen Keuschheit höher bewerteten als Männer.
Die kulturelle Variabilität in den Präferenzen der Geschlechter für Keuschheit liegt an verschiedenen Faktoren: der Häufigkeit von vorehelichem Sex, dem Maß, in dem Keuschheit von einem Partner verlangt werden kann, der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen oder der Zuverlässigkeit, mit der sie beurteilt werden kann. Keuschheit unterscheidet sich von anderen Attributen wie der physischen Attraktivität einer Frau dadurch, dass sie nicht sichtbar ist. Selbst physische Tests über Jungfräulichkeit sind aufgrund der Variation in der Struktur des Jungfernhäutchens, seinem Zerreißen aufgrund nicht sexueller Ursachen oder einer absichtlichen Verletzung unzuverlässig.
Variationen in der Bewertung von Keuschheit können teilweise auf eine Veränderung der ökonomischen Unabhängigkeit und der selbst bestimmten Sexualität von Frauen zurückgeführt werden. In Schweden wird von vorehelichem Geschlechtsverkehr nicht abgeraten und kaum jemand ist bei der Heirat noch Jungfrau. Ein Grund mag sein, dass Frauen in Schweden ökonomisch weniger von Männern abhängig sind als in den meisten anderen Kulturen. Der Jurist Richard Posner berichtet, dass Heirat den schwedischen Frauen, verglichen mit Frauen in den meisten anderen Kulturen, wenig Vorteile bringt. Das schwedische Wohlfahrtssystem sorgt für Kinderkrippen, bezahlten Mutterschaftsurlaub und viele andere materielle Vorteile. Die schwedischen Steuerzahler kommen für das auf, wofür früher Ehemänner sorgten und befreien Frauen von ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von Männern. Diese Unabhängigkeit ermöglicht einer Frau ein freies aktives Sexualleben vor der Ehe. Daher ist kaum eine Schwedin vor ihrer Hochzeit noch Jungfrau und somit reduziert sich auch die Bedeutung, die Männer Keuschheit beimessen auf einer Skala von 0 bis 3 auf ein weltweites Tief von 0,25.
Ein wichtigerer Faktor für die Gewissheit der Vaterschaft als Jungfräulichkeit ist aus der männlichen Perspektive daher ein verlässliches Signal künftiger Treue. Wenn Männer von Frauen auch nicht verlangen können, dass sie jungfräulich sind, so legen sie großen Wert auf sexuelle Loyalität. Eine Studie über die kurz- und langfristigen Partnerwünsche fand heraus, dass amerikanische Männer einen Mangel an sexueller Erfahrung als wünschenswert erachten. Zudem sehen Männer Promiskuität bei einem Partner als absolut unerwünscht an und bewerten diese mit -2,07 auf einer Skala von -3 bis +3. Die tatsächliche bisherige sexuelle Aktivität eines potentiellen Partners hätte unseren männlichen Vorfahren einen Hinweis zur Problemlösung der Ungewissheit der Vaterschaft geben können. In Studien wurde festgestellt, dass das sicherste Anzeichen für außerehelichen Sex die voreheliche Freizügigkeit ist – Menschen, die vor ihrer Heirat viele Sexualpartner hatten sind häufiger untreu als die, die vor ihrer Hochzeit nur wenige Sexualkontakte hatten.
Moderne Männer legen großen Wert auf Treue. Als amerikanische Männer nach 67 wünschenswerten möglichen Charakteristika in einer festen Partnerschaft befragt wurden, wurden Treue und sexuelle Loyalität als die wichtigsten Eigenschaften genannt. Fast alle Männer geben diesen Eigenschaften mit durchschnittlich 2,85 die höchsten Bewertungen auf einer Skala von -3 bis +3. Kulturübergreifende Untersuchungen diesbezüglich stehen noch aus.
Männer betrachten Untreue als die am wenigstens wünschenswerte Eigenschaft einer Frau und bewerten sie mit -2,91, was den hohen Wert, den Männer auf Treue legen, reflektiert. Untreue ist für Männer das Schlimmste – ein Ergebnis, für das ausgezeichnete kulturübergreifende Befunde vorliegen. Frauen werden durch untreue Partner ebenfalls verletzt, aber verschiedene andere Faktoren wie sexuelle Aggression wiegen schwerer.
…..
Ausgehend von der Theorie der sexuellen Selektion beeinflussen die Präferenzen des einen Geschlechts das Konkurrenzverhalten des anderen. Sollten die Präferenzen der Männer einen Einfluss auf das Partnerverhalten ausüben, könnte man prognostizieren, dass Frauen miteinander konkurrieren werden, um zu erfüllen oder zu verkörpern, was Männer wollen. Diese Vorhersage kann anhand von drei Datenquellen untersucht werden: Untersuchung der Taktiken, mit denen Frauen Männer anziehen]
In diese Richtung ging ja auch meine Intuition…
mfg Michi