das ist richtig^^ es sagt jedoch sehr wohl etwas über praktische Grenzen der Methode aus. Da ich allerdings gar nicht auf individuelle Befähigungsgrenzen einzelner Wissenschaftler rekuriere sondern auf ein methodenimmanentes Problem, bleibt auch an dieser Stelle wohl nur die Feststellung unterschiedlicher Sichtweisen.
Ja, wenn derart viele Leute ihre Methode nicht richtig hinkriegen, kann man leicht zum Schluss kommen, dass es ein Problem der Methode, nicht nur der Leute ist. Ich habe aber die Hoffnung, dass es etwas dazwischen ist, nur ein Problem der Ausbildung, der externen Ergebniszwänge und der mangelnden Erfahrung der Disziplinen.
das heißt, deiner Ansicht nach sind die Objekte der Wirklichkeit und die Daten über diese Objekte ein und dasselbe? Das halte ich für kritisch, schließlich ist ein Photonstrom, der mir optische Daten über einen Tisch liefert, nicht dieser Tisch. Kannst du etwas näher erklären, was du unter der "Trennung von Wirklichkeit und Daten" verstehst und warum die für dich so zweifelhaft ist? Die anderen Fragen aus diesem Absatz kann ich erst beantworten, wenn ich verstanden habe, was du unter dieser Trennung respektive ihrer Nichtgegebenheit verstehst.
Trennung von Wirklichkeit und Daten hieße für mich, dass es wesentliche Aspekte der Wirklichkeit gibt, die sich mit unseren objektiven Datenerfassungsmethoden nicht erfassen lassen, also über sie hinaus gehen oder von ihnen verfälscht werden. Das könnte ich mir sogar halbwegs vorstellen, wenn unsere Weltbeschreibung nicht bisher so verdammt erfolgreich wäre. Der nächste Satz, "Dann ist es mir aber völlig schleierhaft, warum zwar abstraktes, aber auch subjektives, reines Nachdenken einen wahrhaftigeren Zugang zur Wirklichkeit haben soll als wissenschaftliche Datenerfassung.", soll dann heißen: Der Geisteswissenschaft einen direkteren Zugang zur Wirklichkeit zuzugestehen als den Naturwissenschaften, erfordert meines Erachtens eine noch deutlich mutigere Annahme, nämlich einen von naturwissenschaftlichen Datenerfassungen unabhängigen Informationsübertragungsweg zwischen Wirklichkeit und Hirn.
Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass die Naturwissenschaftliche Methode nicht die gesamte Wirklichkeit erfassen kann. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir keine andere Methode haben, die mehr erfassen kann. Wenn es ein Mehr gibt, dann sind wir armselige Wesen blind dafür.
Und damit wäre zu fragen, warum es zwar für legitim gilt, wenn sich Naturwissenschaftler mit ihren Methoden Problemen der Geisteswissenschaften widmen, umgekehrt aber die naturwissenschaftlichen Betätigungsfelder von dem ganzen geisteswissenschaftlichen Quatsch hübsch freigehalten werden sollen.
Weil die Geisteswissenschaften das schon vielfach versucht haben, aber trotz respektabler Teilresultate daran gescheitert sind. Ich bin Wissenschaftsdarwinist. Die Naturwissenschaften haben sich aus den Geisteswissenschaften (bzw. der Geisteswissenschaft, damals war ja alles Philosophie) in den Gebieten entwickelt bzw. abgespalten, wo jene nicht mehr weiterkamen. Anfangs beschränkte sich das auf Mathematik und Physik, dann kamen Medizin, Chemie und Biologie dazu, und jetzt sind eben Sozialwissenschaften und Kognitivitätslehre dran.
Aber natürlich sollen Geisteswissenschaftler nicht aus diesen Bereichen verdrängt werden. Nehmen sie die Herausforderung an, haben sie immer noch mindestens genausoviel beizutragen. Hier möchte ich auf zwei eigentlich logisch getrennte, aber anscheinend personell korellierte Frontverläufe hinweisen: Empirismus gegen reines Sinnieren einerseits, formale Strenge gegen Ungenauigkeit andererseits. Im Bereich von Sozial- und Kognitivitätswissenschaften sehe ich die Frage als völlig unentschieden an, ob Empirismus oder Sinnieren mehr zu sagen hat. Beide haben ihre Beiträge zu liefern. Aber warum kann letzteres sich nicht genauso um Strenge bemühen?
Nur warum aus der Andersartigkeit der philosophischen Methode eine Zweitrangigkeit ihrer Ergebnisse resultieren soll, entzieht sich meinem Verständnis
Eine Zweitrangigkeit der Ergebnisse resultiert nicht aus der Andersartigkeit der Methode, sondern aus der Qualität der Methode und der Ergebnisse. Solange kein Philosoph in der Lage ist, eine halbwegs eindeutige und zwingende Argumentationskette zu einem nicht trivialen Problem zu veröffentlichen, solange sind alle philosophischen Ergebnisse letztlich beliebig und deshalb zweitrangig. Und vielleicht ist es ja doch ein methodenimmanentes Problem, wenn es so viele Individuen nicht hinkriegen?
(OT: Sind die vier Kausalitäten nicht ziemlich einfach reduktionistisch zu erledigen? Wenn nein, wäre das ein interessanter Thread.)
Selbstverständlich: die Philosophie wird die Welt nicht physikalisch erklären. Na und? "Nicht physikalisch" heißt nicht "belanglos".
Hängt davon ab, wie du "physikalisch" definierst. Wenn als "effizient reduktionistisch mit einfachen Gesetzen beschreibbar", dann klar. Wenn als "alles, was einen Einfluss auf die Realität hat", dann kann die Philosophie lediglich vereinfachende und damit hilfreiche Erklärungen für reduktionistisch unüberschaubare physikalische Vorgänge liefern.
Die Physik und Mathematik haben Erkenntnisse geliefert, die jedem normalen Denken widersprechen, aber allgemein als wahr anerkannt werden.
mag sein, aber das hat die Philosophie schon vor 2½ Jahrtausenden. Es ist sogar ihr ureigenstes Thema, normales Denken zu hinterfragen. Und, na ja, ob es ein Wahrheitskriterium ist, dass etwas allgemein für wahr anerkannt wird, darf im strengen Sinne auch bezweifelt werden
Ich möchte provokant behaupten, dass die Philosophie die
einfachen über normales Denken hinausgehenden Erkenntnisse geliefert hat. Jene, für deren Aufdeckung es reicht, schärfer und gründlicher nachzudenken als gewöhnlich. Aber eben nicht jene, für die es notwendig ist, allzu tief verwurzelte Elemente des Denkens zu überwinden. Diese Erkenntnisse angemessen zu interpretieren, das kann die Philosophie dann wieder leisten. Aber es braucht strenge Empirik und Logik, um die Bruchstellen aufzuzeigen.
Es ist nicht gerade so, als wären Naturwissenschaftler berühmt dafür, sich um Nebeneffekte einen Kopf zu machen, ehe es zu spät ist
Das muss ich durchaus zugestehen.
Aber wenn man so sehr bei "wehret den Anfängen" ist, kann man ja vielleicht den gleichen Vorwurf auch Geisteswissenschaftlern machen - könnte nicht Nietzsche genausoviel Schuld am Holocaust und Hegel genausoviel an Stalins Massakern treffen wie Curie und Einstein an Hiroshima?
ich stelle mir gerade vor, was mein Schätzle davon halten würde, wenn ich nachdenke, ob evolutionär gerade Zärtlichkeit angebracht ist oder doch eher das Mitschleifen an den Haaren^^
Man darf es halt nicht zugeben.