Knabenliebe in der islamischen Welt

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maglor
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Mi 14. Dez 2011, 22:35 - Beitrag #1

Knabenliebe in der islamischen Welt

In gegenwärtigen islamischen Gesellschaften gilt die Knabenliebe als unanständig, auch wenn Baccha Baazi "das Knabenspiel" im postkommunistischen Afghanistan eine Renessaince erlebte. Nach usbekischer Tradition halten sich Warlords und andere afghanische Sieger-Typen ein paar Jünglinge, quasi als Geliebte oder Sklaven - die Unterscheidung ist schwierig, die Übergänge fließend. Sie tanzen zu besonderen Anlässen in Frauenkleidern, etwaige sexuelle Dienstleistungen gehören auch dazu. Sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben, werden sie verstoßen.

Gerade in Persien gab es eine reiche homoerotische Dichtung, die Sehnsucht von Männer nach bartlosen Knaben. Ebenso war die Knabenliebe im Osmanischen Reich verbreitet. Köçek waren die Vorgänger zu Bauchtänzerinnen und eben Jünglinge.

Seit dem 20. Jahrhundert hingegen gilt die Knabenliebe in nahezu allen islamischen Ländern als verboten. Das ist natürlich ein denk- und merkwürdiges Beispiel wie sehr die koloniale Episode den Orient für immer verändert und dem Islam ein puritanischen Antlitz gegeben hat. "Moderne" islamische Staaten drohen Homosexuellen mit der Todesstrafe.

Neben zahllosen Jungfrauen erwähnt der Koran auch bildhübsche Knaben im islamischen Paradies, die sehnsüchtig auf Märtyrer und andere gute Muslime warten:
Es gibt im Koran aber auch drei Passagen, die Jünglinge erwähnen, welche den Paradiesesbewohnern gehören und ihnen Wein ausschenken: "Burschen, die sie (die Paradiesesbewohner) bedienen, (so vollkommen an Gestalt) als ob sie wohlverwahrte Perlen wären, machen unter ihnen die Runde", heißt es in Sure 52:24 und Sure 56:15–18 beschreibt das üppige Leben der Gläubigen im Jenseits so: "Auf golddurchwirkten Ruhebetten liegen sie behaglich einander gegenüber, während ewig junge Knaben die Runde unter ihnen machen mit Humpen und Kannen (voll Wein) und einem Becher (voll) von Quellwasser." Und schließlich Sure 76:19: "Ewig junge Knaben machen unter ihnen die Runde; wenn du sie siehst, meinst du, sie seien ausgestreute Perlen (so zahlreich und vollkommen an Gestalt sind sie)."

Ismail Mohr: Ein schwieriges Verhältnis: Homosexualität und Islam

Hinweise darauf, dass der Prophet konkrete sexuelle Abenteuer mit Knaben hatte, fehlen. An anderer Stelle in der Matrix wurde ja bereits versucht Mohammed der Kinderschändung zu überführen.
Ob die Knabenliebe im frühen Arabien verbreitet war, ist unklar. Sie widerspricht zumindest allen mosaischen Traditionen.
Im persischen Kulturraum war die Knabenliebe schon in der Antike bekannt und scheint die Islamisierung weitgehend unbeschadet überstanden zu haben. Die sich in Pakistan prostituierenden Eunuchen genannt Khusra sind meiner Ansicht nach eher indischen Ursprungs, wenn gleich sie jedoch nach ihrer eigenen Ansicht eine Art Sufi-Orden darstellen.
Die arabische Knabenliebe scheint eher in Reaktion auf die Frauenverachtung des Islams entstanden zu sein, die etwa das Auftreten weiblicher Tänzerinnen oder Prostituierter verbot, die Auftritte von Knaben eher nicht.

janw
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Mi 14. Dez 2011, 23:37 - Beitrag #2

Dazu gab es vor einiger Zeit auch mal ein Feature im Deutschlandfunk, vielleicht lässt es sich noch auftreiben.

Danach wird das Thema auch von einigen Schriftstellern kritisch behandelt, vor allem aus dem maghrebinischen Raum.

Der Bezug zum Bild der Frau in arabischen Gesellschaften wurde dort auch hergestellt.
Ich würde dieses Frauenbild übrigens nicht unbedingt als "islamisch" bezeichnend, es bestand in den patriarchalen Gesellschaften schon vorher, aber das nur nebenbei...

Anaeyon
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Mi 14. Dez 2011, 23:45 - Beitrag #3

Mh...mein unreflektierter Senf dazu: Mir sind Männer, die sich verkleidete Jungs anschauen lieber, als die Dunkelziffern im Hier und Jetzt. Ich dachte immer, Knabenliebe sei nur ein Euphemismus für gesellschaftlich akzeptierte Vergewaltigung. Das Analsex da größtenteils ausgeschlossen gewesen sein soll, kann ich schlicht nicht glauben.

Ipsissimus
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Mi 14. Dez 2011, 23:59 - Beitrag #4

die Bedeutung und der Wert von Menschen und die Auffassung von Zumutbarkeit variiert von Epoche zu Epoche und von Kultur zu Kulturen. Ich scheue mich sehr, unsere heutigen Auffassungen als Maß der Geschichte und der Kulturen aufzufassen. Ich bezweifele, dass griechische oder orientalische Knabenliebe mit homoerotischer Pädophilie gleichzusetzen ist, die kulturelle Einbettung war eine ganz andere. Ein schwieriges Thema bleibt es sicher.

Lykurg
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Do 15. Dez 2011, 18:52 - Beitrag #5

Ja, die Heterogenität der islamischen Welt ist gewaltig, würde mich auch nicht wundern, wenn die Praxis innerhalb der arabischen Länder stark abweichend ist.

Vom Baccha Baazi wußte ich nichts, das ist hochgradig spannend, weil es ja auch in Khaled Hosseinis Bestseller "Drachenläufer" letztlich darum geht, allerdings unter Taliban-Herrschaft. Da im Buch der Begriff nicht fällt und kein Verweis auf die Tradition vorkommt, wirkt es auf westliche Leser noch befremdlich-abstoßender als ohnehin schon... Eine bestehende Kulturtradition macht das immerhin deutlich besser nachvollziehbar.

Und ja, Ipsissimus, daß es sich um sehr unterschiedliche Phänomene handelt, denke ich auch; auch das griechische System der Knabenliebe (Paiderastie) hatte ja aus der Eigensicht seiner Verfechter eine Föderung der Jugend und Sicherstellung einer umfassenden Bildung zum Ziel und Ergebnis. Auch dort war übrigens Schenkelverkehr weitgehend üblich.

Anaeyon, warum nicht? Gerade wenn in der afghanischen Gesellschaft das Empfinden des ganzen als überwiegend emotionale Beziehung oder als "Spaß" betont wird, zugleich aber ein kulturelles Tabu gegenüber dem Analverkehr besteht, finde ich naheliegend, wenn es nicht oder eben eher seltener dazu kommt.

Sehr spannend aber, daß diese Umwertung innerhalb der islamischen Welt erst im 20. Jh. erfolgte. Ob es sich dabei aber um einen West-Ost-Transfer handelt oder eher doch innerarabische Umbrüche, insbesondere der Wahhabitismus, zugrundeliegen, kann ich nicht beurteilen.

Anaeyon
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Do 15. Dez 2011, 21:13 - Beitrag #6

Lykurg, ich glaube es deshalb nicht, weil auch die christliche Kultur keine Kindervergewaltigung vorsieht, sie jedoch stattfindet. Und weil es sich hier um Männer handelt und Männer sich nicht soo stark unterscheiden, egal welcher Religion sie nun folgen. Jungs in Frauenkleidern? Das ist doch nur der Countdown.

Ja, ich übertreibe ein klein wenig, aber das klingt schon stark nach Geschichts-Schönung.

Lykurg
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Do 15. Dez 2011, 21:22 - Beitrag #7

Schon klar, ich drücke nur aus, wie die üblichen Darstellungen es damals gesehen haben. Die Meinung der Knaben hat halt niemand überliefert...

Und zu Afghanistan - ich weiß nicht. Daß etwas möglich ist, heißt nicht zwangsläufig auch, daß es im großen Rahmen praktiziert wird. Allerdings dürfte es sehr schwierig bis unmöglich sein, darüber einigermaßen belastbare Angaben zu finden.

Maglor
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Do 15. Dez 2011, 21:26 - Beitrag #8

In Afghanistan ist es durchaus üblich, dass Männer zehnjährige Mädchen heiraten. Ein schöner Knabe ist in Frauenkleidern nicht von einem Mädhen zu unterscheiden. Nackt unterscheidet er der Tanzjunge von einer nach afghanischen Maßstäben heiratsfähigen Frau nur an einer Stelle.

Eine Tabuisierung von Analsex halte ich auch für nicht verwunderlich. In Afghanistan gilt es nicht als anstößig, wenn der Liebbhaber seinen Lustknaben öffentlich küsst oder zärtlich berührt. Alles weitere würde den feierlichen Rahmen eines Mujaheddin-Symposiums sicher sprengen.
Wie es anderer Stelle weitergeht, können sich die Landsleute sicher denken. Es handelt sich um eine "geheime" aber doch offensichtliche Prostitution. Etliche Prostituierte werden als Tänzerinnen, Masseusen, Hostessen etc. getarnt.

Einem gängigen Muster folgend gilt nur der passive Part als anstößig und entehrend. Den erwachsen gewordenen Knaben bleiben für den Rest ihres Lebens nur unehrenhafte Berufe (Straßenprostitution, Musiker, Tänzer), während sich die alten Herren einen neuen Spielgefährten kaufen.
Die Lustknaben waren offenbar zu allen Seiten Sklaven und hatten eine der Sklaverei ähnliche Stellung. Im Osmanischen Reich stammten sie häufig aus nicht muslimischen Bevölkerungsgruppen oder waren Waisen, Zigeuner etc.
Ihr Liebhaber hingegen stammten aus der Oberschicht.

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Do 15. Dez 2011, 22:25 - Beitrag #9

Eben das, die soziale Stellung des (ehemaligen) Knaben, war in der griechischen Gesellschaft anders. Der Knabe, der Eromenos, sollte nicht gedemütigt werden (entsprechend aus Rücksichtnahme auf ihn, nicht als auf den aktiven Teil bezogene Konvention, eher kein Analsex). Später standen ihm alle Möglichkeiten, die die Gesellschaft bot, offen - und entsprechend sind so einige ehemalige Eromenoi auch als spätere Erasten belegt. Hier gehörten oftmals beide Teile der Oberschicht an.

e-noon
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Do 15. Dez 2011, 22:43 - Beitrag #10

Körperlicher Schmerz ist durch die Zeiten hindurch konstant, wie es bei Analsex mit Kindern der Fall sein dürfte. Krankheiten werden, da wohl in den wenigsten der hier genannten Fälle Kondome verwendet wurden, auch übertragen. Ich denke, dass es für die wenigsten Kinder eine angenehme Erfahrung war, das ist, wie auch in den Fällen, in denen Erwachsene Kinder heiraten und mit ihnen sexuell verkehren, die absolute Ausnahme oder (je nach Alter) eher sogar nie der Fall. Generell finde ich es unverständlich, wieso jemand den Wunsch haben sollte, jemanden zu bezahlen, damit er einen berührt, von medizinischen Untersuchungen oder orthopädischen Massagen abgesehen.

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Do 15. Dez 2011, 22:54 - Beitrag #11

Die psychischen und physischen Schmerzen sind sicher zeitlos. Einige schwerwiegende Geschlechtskrankheiten treten aber erst später auf - Tripper zwar wohl schon in der Antike, Syphilis aber erst in der frühen Neuzeit etc.
Generell finde ich es unverständlich, wieso jemand den Wunsch haben sollte, jemanden zu bezahlen, damit er einen berührt, von medizinischen Untersuchungen oder orthopädischen Massagen abgesehen.
Das scheinen ebenfalls durch die Zeiten nunmal viele Menschen - und beileibe nicht nur Männer - anders zu sehen. Das System der Paiderastie sah die Konvention des materiellen 'Geschenks' (etwa ein Hase oder ein anderes kleines Tier; ganz abgesehen von immateriellen Vorteilen und Geld) ganz selbstverständlich vor; es gibt viele Darstellungen davon.

Maglor
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Sa 17. Dez 2011, 17:26 - Beitrag #12

Ein paar Afghanen reden Klartext: Youtube
Er hat nur Sex mit Knaben, wenn diese einverstanden wären und seine Frau einverstanden wäre. :wand:
Später erzählt er die andere Geschichte.
Am Ende erzählt auch der Zuhälter und Kinderhändler, wie das Geschäft funktioniert.

Maglor
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Sa 5. Okt 2013, 20:09 - Beitrag #13

Eine aktuelle Kolumne aus der taz beschreibt homosexuelle Praktiken im Oman als altäglich, aber tabuisiert.

Der Kolumnist zeigt aber nur das halbe Bild.
Eigentlich steht Homosexualität im Oman unter Strafe, bis zu 3 Jahre Gefängnis. (In anderen islamischen Staaten ist immerhin die Todesstrafe dafür vorgesehen.)
So soll es im Oman ein drittes Geschlecht gegen, Chanith. Hierbei handelt es sich um Männer zumeist in Frauenkleidern, die sich auf den passiven Part beschränken. Das ganze scheint auch erlaubt zu sein, wobei moderne Islamismen angesichts der Fortschritte in der Medizin die operative Geschlechtsumwandlung bzw. -korrektur propagieren.

Ipsissimus
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So 6. Okt 2013, 17:22 - Beitrag #14

in Indonesien (wie auch in Teilen Thailands) ist Homosexualität vollkommen legal, das Schutzalter liegt bei 19 Jahren. Eine Ausnahme gibt es nur in der Provinz Aceh, wo Teile der Scharia eingeführt wurden, weil fundamentalislamische Rebellen anders nicht befriedet werden konnten.

Es gibt dort sogar eine islamische Sekte, in der nur solche Personen geistliche Würdenträger werden können, die transsexuell sind, unabhängig vom Ausgangs- oder Zielgeschlecht.

Maglor
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So 6. Okt 2013, 18:32 - Beitrag #15

Eigentlich ist das aber keine Homosexualität, da der Transsexuelle eben nicht mehr als Mann gilt, sondern als so etwas ähnliches wie eine Frau.
Der Iran ist übrigens nach Thailand das Land mit den meisten Geschlechtsumwandlungen.

Ipsissimus
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So 6. Okt 2013, 21:47 - Beitrag #16

es ist sowohl als auch ... sowohl die Homosexualität ist legal, als auch Transsexuelle sind akzeptiert und können in besagter Sekte (ich suche noch den Namen) geistliche Würdenträger werden

Maglor
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Di 8. Jul 2014, 20:25 - Beitrag #17

Zitat von Lykurg:Vom Baccha Baazi wußte ich nichts, das ist hochgradig spannend, weil es ja auch in Khaled Hosseinis Bestseller "Drachenläufer" letztlich darum geht, allerdings unter Taliban-Herrschaft. Da im Buch der Begriff nicht fällt und kein Verweis auf die Tradition vorkommt, wirkt es auf westliche Leser noch befremdlich-abstoßender als ohnehin schon...

Vor kurzem habe ich den oben genannten Roman gelesen. Im Nachwort des Autors erklärt Hosseini wie er zu der Idee kam.
Inspiriert wurde er von der eigenen Kindheit in Kabul. Das muss in den 1970ern gewesen sein.

Der Autor und sein Bruder spielten mit dem Hazara-Jungen Moussa, der nebenan wohnte, da fragte der im Haushalt der Familie angestellte Koch:
"Oh ist das Moussa da drüben?" Ich sagte: "Ja." Er nickte beläufig - entschuldigen Sie wenn, ich es wiederhole: "Ich habe ih den letzten Monat über gefickt." [...] Wir erzählten es niemanden. [...] Und ich glaube auch, wir begriffen damals, dass es niemanden bekümmert hätte, wenn wir es erzählt hätten.

Das klingt so, als wäre Kindesmissbrauch noch nicht einmal tabuisiert gewesen.

janw
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Di 8. Jul 2014, 20:47 - Beitrag #18

Es war Ausdruck der Diskriminierung, der die Hazara ausgesetzt waren, und teilweise noch sind.

Maglor
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Mo 28. Nov 2016, 22:45 - Beitrag #19

Die Sache ist eigentlich noch komplizierter. Die Diskriminierung der Hazara ist eine, aber Hosseinis Zitat steht nicht im Kontekt von Bacha-Bazi, also der beziehung zwischen erwachsenem Mann und einem als Frau verkleideten Knaben. Im Zitat geht es um gleichgeschlechtlichen Sex zwischen zwei Jugendlichen, wobei nur der passive Partner stigmatisiert wird.

Georg Klauda hat in seinem Buch "Die Vertreibung aus dem Serail. Europa und die Heteronormalisierung der islamischen Welt" den Diskurs über Homophhobie und Homosexualität im Islam analysiert. Er kam zu dem für mich nicht ganz so überaschenden Schluss, dass es bis weit ins 20. Jahrhundert innerhalb der islamischen Welt kein Konzept von Homosexualität gab. Homosexualität und Heterosexualität seien dort unbekannte Kategorien und nicht unterschieden worden, Homophobie sei daher auch unbekannt. Heteronormalität habe es nicht gegeben. Vielmehr habe man es als normal angesehen, wenn ein Mann auch homoerotische Phantasien hat bzw. sie auch auslebt, gleichzeitg aber verheiratet ist. Man dürfe daher nicht von Homosexuellen sprechen, sondern von Männern, die Sex mit Männern haben. Die Grenzen zwischen Männerfreundschaft und homoerotischer Beziehung seien fließend. Die einzige Grenze setzt die Scharia mit dem Verbot des Analverkehrs. Ein Verbot von Homosexualität habe es hin den verschiedenen Scharia-Rechtsschulen nie gegeben.

Ein dezidierte Verfolgung finde erst seit Taliban u.a. statt, wobei nur gemutmaßt werden kann warum. Klauda weist daraufhin, dass die Fallzahlen und die beschriebenen Einzelfälle nicht auf systematische Verfolgung hinweisen, es handele sich wahrscheinlicher um politische Intrigen.
Es gebe keine systematische Verfolgung weder im Iran noch im Afghanistan der Taliban. Es sei viel mehr erkennbar, dass dort sexuelle Kontakte zwischen Männern weit verbreitet seien.

Der orientalistische Homophobie-Diskurs sei entstanden, als Homosexualität im Abendland erlaubt wurde. Im Sinne des Orientalismus habe man den Orient erneut zum dem anderen gemacht und ie eigenen Vorstellung einer vormodernen Barbarei auf die islamische Welt projeziert.
Davor wurde der Orient im Westen jahrhundertelang als Sündenpfuhl voller sexueller Ausschweifungen betrachtet. Zur Vorstellung der nackten Odaliske im Harem reiht sich das Bild des persischen Lustknaben ein, der sogenannte "Berdache". Der Orient wurde so sehr mit Homosexualität identifiziert, dass Genderforscher den Begriff im 20. Jahrhundert sogar für Two-Spirit-Indianer einführten.

Eine ähnliche Deutung liefert dieser Artikel aus der Frankfurter Rundschau, der aber zumindest das Zitat von Khaled Hosseini erklärt, es habe in Afghanistan niemanden interessiert, ob man einen Jungen fickt.
Man beachte den vielsagenden, sinnentstellenden Titel Homosexualität. Afghanistan ächtet seine Schwulen, der mit dem Inhalt fast nichts zu tun hat.

Sollte der Bericht stimmen, dass der Attentäter von Orlando Omar Mateen einmal mit einem Wutanfall auf zwei sich in aller Öffentlichkeit küssende Homosexuelle in den USA reagiert hat, kann sein afghanischer Vater ihm nicht viel über Sitten und Gebräuche am Hindukusch vermittelt haben. Denn Männer finden in Afghanistan nichts Anstößiges dabei, Hand in Hand über die Straße zu laufen. Bärtige Erwachsene, die vor Kameras junge Teenager auf den Mund küssen, sind ebenso alltäglich wie ein hundsgemeiner Spruch: „Frauen sind für Kinder da, Männer fürs Vergnügen.“

Afghanen betrachten den Austausch freundlicher und zärtlicher Gesten nicht als Zeichen von Homosexualität. ...

Neben der Pädophilie ist auch Homosexualität weit verbreitet. Ein Arzt in der südafghanischen Stadt Kandahar schätzte vor Jahren gegenüber dem US-Blatt „Los Angeles Times“, dass etwa die Hälfte der Männer in der Wiege der Taliban Sexualverkehr mit Männern pflegte. Selbst ein lokaler Mullah gab, bemüht die Schätzung gering zu halten, an, dass etwa 18 bis 45 Prozent aller Männer homosexuell aktiv seien. In den USA wird der Prozentsatz auf drei bis sieben Prozent geschätzt.


Müssen wir Omar Mateen, den Attentäter auf einen Schwulenklub in Orlando, nicht als Teil des homophoben Abendlandes betrachten? Immerhin ist er in den USA geboren und aufgewachsen. Ursächlich für seine Homophobie ist die Sozialisation in den USA, nicht seine afghanische Herkunftsfamilie.


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